Reichskammergericht

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Das Reichskammergericht war seit seiner Gründung im Jahr 1495 unter dem deutschen König und späteren Kaiser Maximilian I. bis zu seiner Auflösung 1806 neben dem Reichshofrat das oberste Gericht des Heiligen Römischen Reichs. Es hatte die Aufgabe, ein geregeltes Streitverfahren an die Stelle von Fehden, Gewalt und Krieg zu setzen. Zuerst hatte das Gericht seinen Sitz in Frankfurt am Main. Nach Zwischenstationen in Worms, Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Speyer und Esslingen am Neckar war es ab 1527 in Speyer und nach dessen Zerstörung infolge des Pfälzischen Erbfolgekriegs von 1689 bis 1806 in Wetzlar ansässig.


Geschichte

Der Vorläufer des Reichskammergerichts war das königliche Kammergericht. Im Unterschied zum Reichskammergericht tagte das königliche Kammergericht immer dort, wo sich der König aufhielt. Ab dem 15. Jahrhundert stellte das Adelsgeschlecht der Habsburger die römisch-deutschen Könige. Weil die Habsburger aber weitreichende Territorien außerhalb Deutschlands besaßen, war der habsburgische König oft lange Zeit nicht im Reich. Somit war das höchste Gericht im Reich oft auch nicht anwesend, was zu einer Krise in der Rechtsprechung führte. Der König war zudem nicht nur oberster Gerichtsherr, sondern auch Regent des Reiches. Da die Könige nicht oft anwesend waren, wirkte sich dies auch anderweitig negativ auf die politische Lage im Reich aus. Um die schlechte administrative Lage zu ändern, wurden auf dem Reichstag zu Worms im Jahre 1495 weitreichende Reformen verabschiedet. Unter anderem wurde der Ewige Landfriede erlassen, der es jedermann verbot, das alte Fehderecht auszuüben und gewaltsam gegen andere Reichsuntertanen vorzugehen. Zur Sicherung des Landfriedens und um Verstöße gegen den Landfrieden per Gerichtsverfahren zu ahnden, wurde auf diesem Reichstag auch das Reichskammergericht geschaffen.

Das Reichskammergericht war insoweit eine Neuschöpfung, als das Gericht nun stärker von der Person des Königs gelöst wurde. Es sollte nicht mehr am Aufenthaltsort des Königs, sondern immer im Reich an einem ihm zugewiesenen Gerichtsort tagen. Zum einen eröffnete dies den Reichsständen mehr Einfluss auf die letztinstanzliche Rechtsprechung, da sie nun – ebenso wie der König – Richter (Assessoren) am Reichskammergericht stellen konnten. Gleichzeitig wurde mit der Möglichkeit des Untertanenprozesses ein Instrument geschaffen, das die Befugnisse der Landesherren einschränkte: Ihre Untertanen konnten nun über die territorialen Gerichte hinaus an eine zentrale Instanz appellieren.

Die erste Reichskammergerichtsordnung vom 7. August 1495 begründete Unser [also des Königs] und des Hailigen Reichs Cammergericht. Der Erfolg der Reichsstände gegenüber dem Kaiser zeigt sich auch bei den Regelungen für das Gericht bezüglich Tagungsort, einer von der Residenz des Kaisers weit entfernten Reichsstadt, Finanzierung und personeller Zusammensetzung. Erster Kammerrichter in der Geschichte des Reichskammergerichts und damit dessen personelle Spitze war der mit Maximilian I. von Habsburg befreundete Graf Eitel Friedrich II. von Hohenzollern. Am 31. Oktober 1495 wurde das neue Reichskammergericht von Maximilian I. persönlich eröffnet. Er nahm Eitel Friedrich und den Beisitzern (Urteilern, Assessoren) den Amtseid ab und übergab dem Kammerrichter den Gerichtsstab als Zeichen seiner Würde. Damit repräsentierte er den König als Gerichtsherrn. Der Kammerrichter war dessen dauerhafter Stellvertreter am und im Gericht. Er repräsentierte ihn auch im Sinne der Darstellung königlicher Macht, wozu neben dem Gerichtsstab auch der erhöhte Thron unter einem Baldachin diente. Maximilian akzeptierte sogar, dass das höchste Reichsgericht fern vom Königshof in einer Reichsstadt seinen Sitz einrichtete.

Die Kaiser und Könige fanden sich aber mit der Ablösung des Gerichts nicht ganz ab. Sie konnten sie nicht rückgängig machen, doch übten sie teilweise politischen Einfluss auf das Gericht aus. Weiterhin gründete Karl V. im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts den Reichshofrat (RHR). Dieser war ebenfalls oberstes Reichsgericht und stand neben dem RKG. Der Reichshofrat war personell und organisatorisch viel stärker an den Kaiser gebunden. Beide Gerichte hatten überschneidende Zuständigkeiten und konkurrierten (und kooperierten) manchmal miteinander. Spätestens ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird der Reichshofrat dem RKG gleichwertiges Gericht und überflügelt dieses in der Spätzeit des Alten Reiches sogar in der Bedeutung.

Die anfängliche Ansiedlung des Gerichtes in der selbstbewussten Reichsstadt Frankfurt am Main wurde dort nicht von allen begrüßt. Die Frankfurter sahen in dem Gericht ein Symbol der alten ständisch-feudalen Ordnung, das auf Grund seiner zeremoniellen Ansprüche und Privilegien die städtische Verfasstheit empfindlich stören könnte. Dementsprechend verhielten sich die Frankfurter gegenüber dem Gericht reserviert, empfingen es aber standesgemäß. Auf Grund des nur anderthalbjährigen Aufenthalts in Frankfurt blieben größere Spannungen aber aus, und die Verfasstheit der Stadt änderte sich ebenfalls nicht.



Text: Wikipedia

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