RIAS

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Der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) war eine Rundfunkanstalt mit Sitz im West-Berliner Bezirk Schöneberg (Kufsteiner Straße), die nach dem Zweiten Weltkrieg von der US-amerikanischen Militärverwaltung gegründet wurde und von 1946 bis 1993 zwei Hörfunkprogramme und von 1988 bis 1992 ein Fernsehprogramm ausstrahlte.

Entstehungsgeschichte

Der RIAS entstand unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg im zerstörten, in vier Zonen aufgeteilten Berlin. Anlass war die Weigerung der Sowjetischen Militäradministration SMAD, den westlichen Siegermächten Sendezeit im Berliner Rundfunk einzuräumen.[1] Daraufhin unternahmen die Amerikaner und Briten Vorkehrungen, selbstständige Rundfunkstationen in ihren Sektoren einzurichten. Es fehlte an eigenen terrestrischen Sendeanlagen, weshalb das U.S. Headquarter, Berlin District, zum 17. Dezember 1945 anordnete, die (weitgehend unterirdisch verlegten und intakten) Telefonleitungen zur Ausstrahlung zu verwenden – den sogenannten Drahtfunk. Der Sender unterstand der direkten Aufsicht der Information Services Control Section.[2] Die ersten Sendungen liefen ab Februar 1946 unter dem Namen Drahtfunk im amerikanischen Sektor (DIAS); das Sendestudio befand sich im Fernmeldeamt Winterfeldtstraße in Schöneberg. Bis 1949 druckten Rundfunkzeitungen im Ostsektor der Stadt noch das Programm des neuen Westsenders ab, ab 1949 erklärte die junge DDR den RIAS zum Propagandainstrument des politischen Gegners. Der RIAS, so die Diktion, weiche das sozialistische Bewusstsein mit Falschmeldungen auf und schaffe „Musikfallen“ für den unbescholtenen Hörer. Die „RIAS-Ente“ wurde zum gängigen Begriff der Radiopropaganda der 1950er Jahre.[3] Die DDR-Führung störte den RIAS systematisch und begründete dies damit: „Die Finanzierung des Senders erfolgt über gedeckte Kanäle der Central Intelligence Agency, welche durch den Sender die DDR mit amerikanischer Propaganda überzieht.“ In zahlreichen DDR-Strafprozessen der 1950er Jahre war das unerlaubte Hören des RIAS ein Leitthema der Staatsanwaltschaft.[4] 1955 ordnete der Stasi-Funktionär Erich Mielke die „Aktion Enten“ an, um Informanten des RIAS in Ostdeutschland zu identifizieren und vor Gericht zu stellen. Im Juni 1955 führte das zu einem Strafprozess, der mit hohen Haftstrafen und einem Todesurteil endete.

Das Gebäude des RIAS befand sich in der Kufsteiner Straße 69. Heute beherbergt das Funkhaus das Deutschlandradio mit der Adresse Hans-Rosenthal-Platz. Hans Rosenthal gehörte zu den RIAS-Mitarbeitern der ersten Jahre.

Programme

RIAS 1

Von Beginn an war der RIAS mit seiner Programmgestaltung innovativ und wirkte als Vorbild für die westdeutsche Rundfunkszene. Die Programme des Senders standen unter dem selbst gewählten Motto „Eine freie Stimme der freien Welt“. Vom 24. Oktober 1950 an wurde jeden Sonntag um 12 Uhr das Läuten der Berliner Freiheitsglocke vom Schöneberger Rathaus übertragen, gefolgt vom Verlesen des „Freiheitsgelöbnisses“.

Mit seinen auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen zugeschnittenen Magazinsendungen und der ausführlichen politischen Berichterstattung bot er ein umfassendes Informationspaket an. Während der Anteil der politischen Programme der öffentlich-rechtlichen Sender in den 1950er Jahren lediglich bei 15 Prozent lag, hatte er beim RIAS einen Umfang von etwa 34 Prozent. RIAS hatte als erster aktuelle Zeitfunksendungen im Programm und führte als erste Rundfunkstation auf deutschem Gebiet mehrstündige Zeitfunkmagazine ein. Schwerpunkt der Berichterstattung und Kommentierung war neben Berlin das Geschehen in der DDR. Speziell für die Berliner Hörer führte der erste Berliner Regierende Bürgermeister Ernst Reuter die Sendung Wo uns der Schuh drückt ein, die bis 1978 von seinen gewählten Nachfolgern fortgeführt wurde.

Beispielgebend war der RIAS ebenso auf dem Kultur- und Unterhaltungssektor. Der bereits in der Anfangszeit gegründete RIAS-Kammerchor und das RIAS-Symphonie-Orchester sorgten für kulturelle Höhepunkte in Berlin. Brillanter Beobachter und Kritiker der Berliner kulturellen Szene war Friedrich Luft, dessen Stimme der Kritik erstmals am 7. Februar 1946 ausgestrahlt wurde und bis zum Tode Lufts 1990 wöchentlicher Programmpunkt war. Die New York Times berichtete kurz nach dem Mauerbau von einer Erweiterung des Programms des RIAS

In der Unterhaltungsmusik war das RIAS-Tanzorchester weit über Berlin hinaus aktiv. Besonders unter seinem Leiter Werner Müller begleitete es zahlreiche öffentliche Veranstaltungen im Bundesgebiet sowie im Fernsehen. Der RIAS ist auch als Erfinder der Hitparade im deutschen Rundfunk anzusehen. Bevor diese 1958 von Radio Luxemburg gestartet wurde, hatte der RIAS schon 1949 die wöchentlichen Schlager der Woche in seinem Programm. Als erster deutscher Sender begann RIAS in den 1970er Jahren mit der Ausstrahlung von Marathon-Popnächten unter dem Titel Rock over RIAS. Nach der am 30. September 1985 vollzogenen Umwandlung von RIAS 2 in einen 24-Stunden-Popmusik-Kanal wurde auch dieser Wegbereiter für viele andere Jugendprogramme. Nach dem Berliner Mauerbau überwand der RIAS die trennende Grenze über den Äther mit seiner sonntäglichen Grußsendung Musik kennt keine Grenzen.

Der RIAS war Träger folgender Musikvereinigungen:

RIAS Kammerchor

RIAS Kammerorchester (1946 unter der Leitung von Karl Ristenpart gegründet, 1953 aufgelöst)[5]

RIAS-Symphonie-Orchester (RSO, 1956 umbenannt in Radio-Symphonie-Orchester Berlin und 1993 umbenannt in Deutsches Symphonie-Orchester Berlin [DSO])

RIAS Tanzorchester

RIAS Big Band

Am Unterhaltungsprogramm des RIAS hatte Hans Rosenthal einen besonderen Anteil. Er führte die erfolgreichen Quizsendungen Wer fragt, gewinnt und Allein gegen alle, die später auch von anderen Sendern übernommen wurden, und das Funkkabarett Die Rückblende (Autoren u. a. Michael Alex, Curth Flatow, Eckart Hachfeld, Volker Ludwig, Horst Pillau und Rolf Ulrich) ein. Er erfand mit seinem Klingenden Sonntagsrätsel die Höreranalyse, denn mit seiner Sendung sollte die Resonanz der Ausstrahlung von RIAS 2 über den Sender Hof ermittelt werden.

Zu den weiteren populären RIAS-Programmen gehörten die 149 Mal ausgestrahlte Kabarettsendung Die Insulaner von Günter Neumann, die am 25. Dezember 1948 Premiere hatte. Im Weiteren die Hörspielserie Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin, die zwischen 1964 und 1987 mit insgesamt 462 Folgen lief und mit der sich der spätere Fernseherfolgsautor Curth Flatow seine ersten Sporen verdiente. Weitere Hörspielserien waren die von Michael Koser kreierte Reihe mit den Abenteuern des Universalgelehrten Professor van Dusen (79 Folgen), Pension Spreewitz (150 Folgen) und Es geschah in Berlin (499 Folgen). Von 1947 bis 1972 war Fritz Genschow Onkel Tobias vom RIAS in seiner gleichnamigen Kindersendung, die er zusammen mit „Tante Erika“ (Erika Görner)[6] und den RIAS-Kindern jeden Sonntag um 10 Uhr gestaltete.[7]

Das Programm RIAS 1 wurde über Mittelwelle vom Sender Berlin-Britz und vom RIAS-Sender Hof sowie über UKW aus Berlin und Bayern aus der Region um Hof gesendet.

RIAS 2

RIAS 2 wurde am 1. November 1953 vom Rundfunk im amerikanischen Sektor neben RIAS 1 als zweites Hörfunkprogramm eingerichtet und sendete auf Mittelwelle und UKW über die Sender Berlin-Britz und in Bayern in der Region Hof über den Sender Großer Waldstein.

Am 30. September 1985 wurde RIAS 2 zu einem 24-Stunden-Jugend-Programm umgestaltet (Jingle: RIAS 2 – Typisch Berlin). Die Berliner Zeitung sprach rückblickend von einem fulminanten Start. „Allein in West-Berlin erreichte man mit RIAS 2 auf Anhieb 300.000 Hörer pro Durchschnittsstunde.“ Auch in Ost-Berlin und in der DDR war RIAS 2 populär. „Für viele Ostler gehörte der West-Sender zum Leben wie Broiler und Club-Cola.“[8]

RIAS TV

Am 22. August 1988 startete der RIAS mit seinem Fernsehprogramm RIAS-TV in Berlin. Hier führte er als erster das Sendeformat des Frühstücksfernsehens in Deutschland ein, das später auch von anderen Sendern übernommen wurde.

Nach der Wiedervereinigung

Im Jahr 1990 wurde mit der deutschen Wiedervereinigung der Fortbestand des Senders ungewiss. Zunächst hatten die USA nach einem Bericht der U. S. Advisory Commission on Public Diplomacy 1989/1990 eine weitere Rundfunkpräsenz von RIAS erwogen, um in Mitteleuropa weiterhin eine „wichtige Informationsquelle über Demokratie und die Vereinigten Staaten für 16 Millionen Ostdeutsche“ zu gewährleisten.

Am 1. April 1992 wurde RIAS-TV von der Deutschen Welle übernommen, die fortan unter der Bezeichnung DW-TV ein Fernsehprogramm für das Ausland produzierte und ausstrahlte. Am 19. Mai 1992 wurde zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und den USA ein Abkommen über die Gründung der RIAS Berlin Kommission unterzeichnet, das am 26. Oktober 1992 in Kraft trat. Die Kommission hat sich zur Aufgabe gemacht, „die Tradition der deutsch-amerikanischen Kooperation im Rundfunk weiter fortzusetzen und als neue Tradition im transatlantischen Mediendialog Begegnungen und Verbindungen zwischen Rundfunkjournalisten auf beiden Seiten des Ozeans zu ermöglichen“.

Am 1. Juni 1992 wurde RIAS 2 privatisiert und in rs2 umbenannt. rs2 sendet heute in Berlin auf derselben UKW-Frequenz 94,3 MHz, auf der zuvor RIAS 2 ausgestrahlt wurde, sowie über ein Netz weiterer UKW-Frequenzen in Brandenburg. Die Hofer RIAS-2-Frequenz 91,2 MHz wurde 1992 aufgelassen. Die einstige Berliner Mittelwellenfrequenz 855 kHz von RIAS 2 wird heute für DRM-Übertragungen und Sondersendungen des Deutschlandradios genutzt. RIAS 1 (UKW 89,6 MHz) wurde zunächst weitergeführt und ging zum 1. Januar 1994 zusammen mit Deutschlandsender Kultur und dem Deutschlandfunk im Deutschlandradio, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, auf. Anfangs hatte diese Anstalt mit dem DeutschlandRadio Berlin und dem Deutschlandfunk (Köln) zwei Programme, derzeit (Stand: 2013) besteht Deutschlandradio aus den Programmen Deutschlandradio Kultur, Deutschlandfunk und DRadio Wissen.

Die Klangkörper sind heute überwiegend in der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin zusammengefasst.

Das ehemalige Funkhaus des RIAS liegt am nach dem populären Moderator benannten Hans-Rosenthal-Platz direkt an der Bezirksgrenze zwischen Schöneberg und Wilmersdorf am Rudolph-Wilde-Park beziehungsweise am Volkspark Wilmersdorf mit dem sogenannten RIAS-Spielplatz. Von hier wird das Programm Deutschlandradio Kultur ausgestrahlt.

Der Sendeschluss des RIAS war am 31. Dezember 1993 um 23.55 Uhr. Die letzten Worte sprach der Programmdirektor Siegfried Buschschlüter.

Am 4. September 2013 ging in Berlin-Britz ein bedeutendes Stück deutscher Rundfunkgeschichte zu Ende: Der Betrieb des rund 65 Jahre zuvor vom RIAS aufgebauten Mittelwellensenderstandortes wurde endgültig eingestellt.

Personen

Der RIAS stand in den ersten Jahren unter der Aufsicht des Information Control Services des U. S. Headquarters Berlin. Ab 1965 wurde er der United States Information Agency des US-Außenministeriums unterstellt. Er wurde zunächst von einem vierköpfigen Direktorium (Direktor, Vizedirektor, Produktionschef, Verwaltungschef) geleitet, dessen Posten von Amerikanern besetzt waren. Ab 1989 war nur noch der Direktor Amerikaner. Die Programmgestaltung lag ausschließlich in deutschen Händen. Zu den bekanntesten Chefredakteuren des RIAS zählt der spätere SPD-Politiker Egon Bahr, der diesen Posten von 1950 bis 1959 bekleidete.

Bekannte Moderatoren des RIAS waren Curth Flatow, Fred Ignor, John Hendrik, Lord Knud, Barry Graves, Nero Brandenburg, Desirée Persh, Ian McConnachie, Henry Gross, Juan Liebig, Uwe Golz, Andreas Dorfmann, Oliver Dunk, Gregor Rottschalk, Peter Kohagen, Christian Graf, Uwe Wohlmacher, Rik De Lisle, Dennis King, Konstantin Klein, Uwe Hessenmüller und Hans Rosenthal.

Aushängeschilder im Bereich der politischen Berichterstattung waren Jürgen Graf, Hanns Werner Schwarze, Lutz Meunier, wichtige Korrespondenten waren Günter Graffenberger (Schweden), Jürgen Koar (USA), Ulrich W. Sahm (Israel, heute Korrespondent von N24), Gustav Chalupa (Ex-Jugoslawien).

Bekannte Regisseure waren der Leiter der Hörspielabteilung Hanns Korngiebel und Ivo Veit, der unter anderem die Hörspielserie Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin inszenierte.

Technische Entwicklung

Am 7. Februar 1946 ging erstmals der „Drahtfunk im amerikanischen Sektor“ (DIAS) über Telefonleitungen im amerikanischen Sektor auf Sendung. Die Sendestelle war in Schöneberg im Fernamt Winterfeldtstraße (das spätere Fernmeldeamt 1 Berlin) untergebracht. Gesendet wurde täglich von 17 bis 24 Uhr im Langwellenbereich auf den Frequenzen 210 und 245 kHz. Ab Juni 1946 wurde der Sendebetrieb auch auf den Britischen Sektor Berlins ausgeweitet.

Der erste terrestrische Mittelwellensender, ein fahrbares Aggregat der US-Armee, wurde am 5. September 1946 in Betrieb genommen und damit der Übergang vom Drahtfunk zum Rundfunk vollzogen. Der mobile Sender in Berlin-Britz, Standort auch des späteren RIAS-Großsenders, strahlte mit einer relativ geringen Leistung von 800 Watt auf der Frequenz 610 kHz. Er wurde im Juni 1947 durch einen 1935 gebauten 20-kW-Sender der ehemaligen Wehrmacht ersetzt. Am 6. Juli 1948 wurde das neue RIAS-Funkhaus in der Kufsteiner Straße 69 (heute: Hans-Rosenthal-Platz) eingeweiht. Nach Sendebeginn der „Stimme Amerikas“ auf Kurzwelle am 6. Juli 1948 vom Sender Ismaning bei München aus und der Verbesserung der Antennenanlagen in Britz wurde mit der Inbetriebnahme des 20-kW-Mittelwellensenders Hof am 1. November 1948 im oberfränkischen Hof an der Saale deutlich gemacht, dass das Verbreitungsgebiet des RIAS auch auf das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone ausgedehnt werden sollte. Da der RIAS von Anfang an ein von der US-Politik geprägtes Meinungsbild vertrat, geriet er den Machthabern der im Oktober 1949 gegründeten DDR schnell zum Feindbild. So erklärte das Oberste Gericht der DDR am 27. Juni 1955 den RIAS zu einer „Spionage-, Sabotage- und Verbrecher-Organisation“. Schon vorher hatte die DDR begonnen, ihr gesamtes Territorium mit einem Netz von Störsendern zu überziehen. Das wiederum veranlasste den RIAS zu einer immensen technischen Aufrüstung.

Nachdem der Mittelwellensender Berlin-Britz bereits 1949 auf 100 kW verstärkt worden war und von dort ab 7. August 1951 ein zweiter Kurzwellensender aus sendete, ging im März 1952 in Britz der erste durch die Frequenzmodulation relativ störresistente UKW-Sender in Betrieb. Ab dem 15. Januar 1953 wurde von Britz auf der Mittelwelle 989 kHz mit 300 kW gesendet, damals die höchste Sendeleistung in Mitteleuropa. Um mit alternativen Sendezeiten von wechselnden Senderstandorten dem ostdeutschen Störbetrieb auszuweichen, wurde am 1. November 1953 das Programm RIAS 2 gestartet, gleichzeitig wurde eine neue Mittelwellen- und eine neue UKW-Frequenz in Berlin in Betrieb genommen. Im Laufe des Jahres 1954 kamen zwei weitere Mittelwellenfrequenzen hinzu und in Kooperation mit dem US-Auslandssender „Stimme Amerikas“ konnte die leistungsstarke Frequenz 173 kHz auf Langwelle genutzt werden. Mitte der 1950er Jahre standen dem RIAS insgesamt vier Mittelwellenfrequenzen zur Verfügung, die abwechselnd im Tag-Nacht-Betrieb von den beiden Sendern in Berlin und Hof genutzt wurden. Hinzu kamen zwei UKW-Frequenzen (Berlin), eine Lang- und eine Kurzwellenfrequenz. Am effektivsten waren die UKW- und Kurzwellenfrequenzen, die kaum zu stören waren. Erst als mit der Einführung des Genfer Wellenplans von 1958 (1978 in Kraft getreten) die DDR-Störsender abgeschaltet wurden, konnte der RIAS zu einem konstanten Sendebetrieb übergehen.

Text: Wikipedia, Liste der Autoren

RIAS-Ente

Die RIAS-Ente war ein in der DDR-Propaganda der 1950er Jahre gängiger Begriff gegen den West-Sender RIAS. Der von den amerikanischen Besatzungstruppen nach dem Zweiten Weltkrieg installierte „Rundfunk im Amerikanischen Sektor“ Berlins RIAS sendete ab den späten 1940er Jahren regelmäßig Nachrichten, die ihm von Bürgern der jungen DDR zugespielt wurden. Sie wiesen auf Missstände in der Lebensmittelversorgung im Osten hin, beschrieben die Kennzeichen von Militärfahrzeugen und nannten Namen von Mitarbeitern der Staatssicherheit (Stasi). Ob und wieweit diese Meldungen stimmten, müsste von Fall zu Fall geklärt werden. Die DDR-Regierung sah in diesen Sendungen einen Generalangriff auf den sozialistischen Aufbau und begann etwa ab 1952 damit, über die Partei-gesteuerte Ost-Presse jede einzelne Meldung des RIAS als Lüge hinzustellen – als Zeitungsente. 1955 startete der DDR-Inlandsgeheimdienst (Stasi) die „Aktion Enten“, um gezielt Informanten des RIAS auszumachen und vor Gericht zu bringen. In einem Fall erging ein Todesurteil.

Entenkarikaturen und „Aktion Enten“

Parallel zu von der Parteileitung der SED angeordneten Karikaturen und Witzen wie zum Beispiel „Es gibt Huhn, wenn du ’ne Ente willst, mußt’n RIAS anstellen.“[1] suchte die DDR-Justiz nach Wegen, RIAS-Hörer vor Gericht zu bringen. Ein Verbot, „Feindsender“ zu hören, wie die Nationalsozialisten es praktiziert hatten, fand sich im DDR-Strafgesetzbuch nicht. Dennoch spielte das bloße Hören des RIAS bei der Argumentation der Staatsanwaltschaft in mehreren Strafprozessen, insbesondere Spionageprozessen[2] eine zentrale Rolle. Im Februar 1955 startete der spätere Stasi-Chef Erich Mielke die „Aktion Enten“, „um nicht nur die Agenturen des RIAS zu zerschlagen und sie ihrer gerechten Bestrafung zuzuführen, sondern durch richtige politisch-operative Maßnahmen dem RIAS einen solchen Schlag zuzufügen, der es möglich macht, diesen amerikanischen Sender vor dem gesamten deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit als Spionagezentrale des amerikanischen Geheimdienstes zu entlarven.“[3] → Hauptartikel: RIAS-Prozess

49 Personen wurden im Rahmen der Verhaftungsaktion „Enten“ festgenommen, darunter der damals 29-jährige Ost-Berliner Dekorateur Joachim Wiebach und den RIAS-Rundfunksprecher Richard Baier. Den meisten wurde nachgewiesen, dem RIAS Informationen aus der DDR übermittelt zu haben, etwa über die Achsenzahl eines Spähwagens. Jedoch spielte es in dem Prozess am 24. Juni 1955 keine Rolle, ob dies nun im RIAS zu wahren oder zu Falschmeldungen, eben „Enten“, geführt hatte. Die Staatsanwaltschaft sah hohe Haftstrafen nach Artikel 6 der DDR-Verfassung (Kriegs- und Boykotthetze) vor; der Staatsratsvorsitzende der DDR Walter Ulbricht zeichnete das Strafmaß bereits im Vorfeld des Prozesses mit „Einverstanden / W. Ulbricht“ ab, ersetzte aber auf dem Geheimpapier „lebenslängliches Zuchthaus“ für Joachim Wiebach durch die Worte: „Vorschlag: Todesurteil“. Das Oberste Gericht der DDR folgte dem Vorschlag. Das Urteil gegen Wiebach wurde am 13. September 1955 in der Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Dresden mit dem Fallbeil vollstreckt.[4][5]

Text: Wikipedia, Liste der Autoren

RIAS-Prozess

Der sogenannte RIAS-Prozess (offizielle Bezeichnung Strafsache gegen Wiebach und andere)[1][2] war ein Schauprozess, der 1955 vor dem Obersten Gericht der DDR stattfand. In diesem Strafverfahren wurden fünf Bürger aus Ost-Berlin und der DDR angeklagt, weil sie mit dem Rundfunk im amerikanischen Sektor von Berlin (RIAS) in Kontakt standen und Informationen an Mitarbeiter des Senders weitergaben. Auf Weisung von Walter Ulbricht wurde gegen einen der Angeklagten ein Todesurteil verhängt.

Die näheren Umstände des Prozesses und der Urteilsfindung wurden erst nach der Wende in den 1990er Jahren bekannt.[3]

Der RIAS → Hauptartikel: RIAS

Das antikommunistisch ausgerichtete Informations- und Unterhaltungsprogramm des von der US-amerikanischen Militärverwaltung gegründeten RIAS setzte seinerzeit einen Gegenpol zum Nachrichten- und Meinungsmonopol der sowjetischen Besatzer. Ein Programmschwerpunkt war die Berichterstattung und Kommentierung des Geschehens in der DDR oder – wie es damals der Sprachgebrauch war – „in der Zone“. Bekannte RIAS-Sendereihen waren beispielsweise Berlin spricht zur Zone, Aus der Zone – für die Zone und Werktag der Zone, die als Zielgruppe die Bürger Ost-Berlins und der DDR hatten. Der RIAS war mit diesen Sendereihen zur Hochzeit des Kalten Krieges mehr ein Interventions- als ein Informationssender.[3]

Folglich war der Sender dem DDR-Regime ein Dorn im Auge; speziell nach dem Aufstand des 17. Juni. Gegenmaßnahmen des Regimes waren beispielsweise Störsender und die Bespitzelung der Mitarbeiter des RIAS durch die Stasi-Mitarbeiter.[3]

Die Aktion Enten

Im November begannen die Planungen zu der Großaktion Enten. Der Operativplan zu dieser Aktion wurde im Februar 1955 von Erich Mielke, zu diesem Zeitpunkt Stellvertretender Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit, unterzeichnet. Ziel der Aktion Enten war „nicht nur die Agenturen des RIAS zu zerschlagen und sie ihrer gerechten Bestrafung zuzuführen, sondern durch richtige politisch-operative Maßnahmen dem RIAS einen solchen Schlag zuzufügen, der es möglich macht, diesen amerikanischen Sender vor dem gesamten deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit als Spionagezentrale des amerikanischen Geheimdienstes zu entlarven.“[3] Dazu wurden 49 sogenannte RIAS-Agenten in Ost-Berlin und der DDR festgenommen. Vermutlich führte ein von einem Stasi-Spitzel entwendetes Notizbuch mit Namen und Adressen zur Festnahme der ostdeutschen Bürger.[4] Die festgenommenen Personen kamen aus allen sozialen Schichten. Sie hatten bei Besuchen in West-Berlin Kontakt zum RIAS aufgenommen und dem Sender dabei unterschiedlichste Informationen über die DDR, wie beispielsweise Wirtschaftsinformationen, Stimmungsberichte aus dem DDR-Alltag, aber auch Berichte über die Remilitarisierung der DDR, zugespielt. Die Informationen waren zwar für die Sendeprogramme des RIAS gedacht, aber brisantere Informationen wurden von RIAS-Mitarbeitern an das Counter Intelligence Corps (CIC) der US Army weitergereicht.[3]

Vor dem Prozess

Aus den 49 festgenommenen Personen der Aktion Enten wurden willkürlich fünf Männer für einen Prozess vor dem Obersten Gericht der DDR ausgewählt. Dies waren:

Joachim Wiebach, ein 29-jähriger Ost-Berliner Dekorateur,

Richard Baier, ein 28-jähriger Lektor und Redakteur aus Ost-Berlin,

Günther Krause, ein 50-jähriger Drogist aus Königs Wusterhausen,

Willi Gast, ein 45-jähriger Verwaltungsangestellter aus Stralsund, und

Manfred Vogt, ein 23-jähriger Elektromeister aus Brandenburg.

Die fünf Angeklagten waren zwischen dem 5. und 16. April 1955 festgenommen worden. Sie begegneten sich erstmals zu Prozessbeginn im Großen Saal des Obersten Gerichts in der Scharnhorststraße 37 in Berlin-Mitte. Während ihrer Untersuchungshaft wurden sie im Untersuchungsgefängnis in Berlin-Hohenschönhausen unter anderem durch Schlafentzug und physische Misshandlungen gefoltert.[3]

Wiebach arbeitete bei der DEWAG. Er wurde am 6. April verhaftet. Ihm wurden mehrere Straftaten vorgeworfen. So soll er seit April/Mai 1954 zwei Mitarbeitern des RIAS (Franz Siegel und Lisa Thum alias Lisa Stein) interne Informationen aus seinem Betrieb und über Aufträge und Auftraggeber der DEWAG geliefert haben. Diese Informationen soll er auch Mitarbeitern aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz zugetragen haben. Im Februar 1955 soll er dann vom CIC zur Militärspionage angeworben worden sein. Insbesondere der letztgenannte Punkt machte ihn zum Hauptangeklagten.[5] Siegel und Stein vermischten ihre journalistische Tätigkeit mit ihrer nachrichtendienstlichen, wodurch sie ihre Informanten erheblich gefährdeten. Zudem sollen sie ihre Informanten bedroht haben, wenn sie ihre Zusammenarbeit beenden wollten.[6]

Am 14. Juni 1955 erhielt Walter Ulbricht, seinerzeit Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED, eine von Klaus Sorgenicht unterzeichnete und von Josef Streit verfasste dreiseitige Hausmitteilung, die von der Abteilung Staatliche Organe im ZK der SED angefertigt wurde. Der erste Satz der Mitteilung ist eine Vorverurteilung der Angeklagten: „Die Beschuldigten sind Agenten des RIAS und haben durch die Lieferung von Spionageinformationen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Charakters die Durchführung von Sabotage- und Diversionsakten unterstützt und zur Vorbereitung eines neuen Krieges beigetragen.“ Danach folgt eine stichwortartige Beschreibung der Anklagepunkte. Das Schreiben endet mit dem Hinweis: „Folgende Strafen sind beabsichtigt: Wiebach – lebenslängliches Zuchthaus, Baier – fünfzehn Jahre Zuchthaus, Krause – lebenslängliches Zuchthaus, Gast – zwölf Jahre Zuchthaus, Vogt – acht Jahre Zuchthaus.“[3]

Ulbricht vermerkte handschriftlich auf der Mitteilung „Einverstanden/W. Ulbricht“, strich aber für Joachim Wiebach „lebenslängliches Zuchthaus“ und ersetzte es durch „Vorschlag: Todesurteil“.[3][7][8][9]

Der Prozess

Der Prozess vor dem 1. Senat des Obersten Gerichts der DDR fand an zwei Verhandlungstagen am 24. und 25. Juni 1955 vor erweiterter Öffentlichkeit statt. Den Vorsitz hatte Kurt Schumann, der Präsident des Obersten Gerichts. Als Beisitzer fungierten Helene Kleine und Hans Rothschild, die beide Oberrichter am Obersten Gericht waren. Die Anklage wurde von Generalstaatsanwalt Ernst Melsheimer und Staatsanwalt Walter Piehl vertreten. Drei Rechtsanwälte aus Ost-Berlin, Halle/Saale und Löbau vertraten die Angeklagten.[3]

In der Hauptverhandlung wurden 14 Zeugen verhört, die ausschließlich Belastungszeugen waren. Am 27. Juni 1955 wurden die Urteile verkündet. In der Urteilsbegründung wurde der RIAS als „Spionagezentrale“ und „verbrecherische Organisation“ bezeichnet.[3]

„Die Hauptverhandlung vor dem Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik hat die Richtigkeit der Anklage des Generalstaatsanwalts bestätigt, dass die Sendungen des RIAS dem alleinigen Zweck dienen, die Atmosphäre in den internationalen Beziehungen durch die Verleumdung der Länder des Friedenslagers zu vergiften, Provokationen zu inszenieren, das Gift des Chauvinismus und der Kriegshetze zu verbreiten und jede nur mögliche Unruhe zu schaffen, um unter allen Umständen zu verhindern, dass Deutsche aus Ost und West durch Verhandlungen alles Trennende beseitigen.“

– Aus der Urteilsbegründung[3]

Mit den verhängten Strafen folgte das Gericht im Wesentlichen den Vorgaben aus dem ZK der SED. Joachim Wiebach wurde – der Vorgabe Ulbrichts entsprechend – zum Tode verurteilt.[3] Richard Baier erhielt für die Weitergabe von Informationen, die er der DDR-Presse entnahm,[10] 13 Jahre Zuchthaus, von denen er 6 Jahre und 9 Monate verbüßte.[11] Günter Krause wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Er hatte offen zugängliche Informationen an den RIAS geliefert. Strafverschärfend war wohl, dass er Daten über das Gebäude und den Personalstand des örtlichen Volkspolizeikreisamts, die Verlegung einer Einheit der Kasernierten Volkspolizei und die Auflösung und Verlegung sowjetischer Dienststellen weitergab. Willi Gast erhielt eine Strafe von 15 Jahren Zuchthaus. Vor seiner Verhaftung arbeitete er als Sachbearbeiter in Stralsund im staatlichen Kreiskontor für landwirtschaftlichen Bedarf. Er war Mitglied in der SED. In der Urteilsbegründung wurde ihm vorgeworfen, durch seine Informationen die Bevölkerung der DDR bewusst verunsichert und das Vertrauen in die Regierung und die örtlichen Staatsorgane damit angegriffen zu haben. Als besonders schwerwiegende Vergehen wurden ihm dabei die „Gefährlichkeit seiner Berichterstattung“, seine „Hartnäckigkeit“, sein freiwilliges Andienen seiner Dienste beim RIAS und seine Tarnung als „Mitglied der Partei der Arbeiterklasse“ angerechnet.[10] Zu acht Jahren Zuchthaus wurde Manfred Vogt verurteilt. Bis zu seiner Verhaftung arbeitete er im VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg. Laut dem Vernehmungsprotokoll wurde Vogt in West-Berlin von Siegel auf der Straße angesprochen. Vogt verweigerte zunächst die Mitarbeit, wurde aber von Siegel zweimal massiv unter Druck gesetzt. Danach übergab er Siegel Informationen, die ausschließlich seinen Betrieb betrafen. Die Weigerung Vogts zur Zusammenarbeit mit Siegel wurde auch vom Gericht anerkannt: „[…] dem Angeklagten [ist] zugute zu halten, daß er zweimal den Versuch unternommen hat, die Verbindung mit dem RIAS zu lösen und durch Drohungen […] zur weiteren Spionage veranlasst wurde.“[12]

Nach der Urteilsverkündung schrieb das Neue Deutschland: „Unser Volk muß aus diesem Prozeß die Lehren ziehen, die Hetzsendungen des RIAS zu verabscheuen. Dort sprechen nicht Menschen, die die kulturellen Interessen der Bevölkerung im Auge haben, sondern gemeine Kriegshetzer.“[13][12]

Der Urteilsvollzug

Am 14. September 1955[14] um 2 Uhr wurde in der Untersuchungshaftanstalt I in Dresden, der damaligen zentralen Hinrichtungsstätte der DDR, das Todesurteil gegen Joachim Wiebach per Guillotine vollstreckt. Aus der Zeitung hatten seine Eltern von dem Urteil erfahren. Ihr Gnadengesuch wurde von Wilhelm Pieck, dem Präsidenten der DDR, abgelehnt. Die Richter des Ersten Strafsenats hatten die Begnadigung unterstützt. Wiebachs Abschiedsbrief wurde zu den Akten genommen und seinen Eltern nicht überreicht. Von der Hinrichtung ihres Sohnes erfuhren die Eltern erst zwei Monate nach dem Vollzug.[3]


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