Kloster Jerichow

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Kloster Jerichow

Das Kloster Jerichow mit seiner Stiftskirche St. Marien und St. Nikolaus ist eine romanische, auf ein ehemaliges Prämonstratenser-Chorherrenstift zurückgehende, Klosteranlage in der Stadt Jerichow im Osten des Bundesland Sachsen-Anhalt. Die Anlage ist als Baudenkmal ausgewiesen und ist eine der Stationen an der Straße der Romanik.

Geschichte

Das Kloster wurde 1144 in der Nähe des Jerichower Marktes als Prämonstratenserstift von Dompropst Hartwig von Bremen gegründet. Die ersten Prämonstratenser-Chorherren kamen aus dem Magdeburger Liebfrauenstift. Jerichow gehörte zur Sächsischen Zirkarie des Ordens. Im Jahr 1148 wurde das Kloster nach außerhalb des Ortes an seine heutige Stelle verlegt und dort 1149 mit dem Bau der Stiftskirche begonnen. Unter Propst Isfried (1159–1179) wurden 1172 die Kirche und der Ostflügel fertiggestellt. Eine Beteiligung von Chorherren aus Jerichow bei der Gründung des Klosters Gramzow 1176/77 ist wahrscheinlich. Zwischen 1180 und 1200 erfolgte dann in Jerichow der Bau einer Krypta. Außerdem wurde die Kirche um die Nebenchöre erweitert, gefolgt von der Errichtung des Winterrefektoriums und des Amtshauses. Von 1220 und 1230 erbaute man das Sommerrefektorium und den Kreuzgang. Um das Jahr 1250 konnten die Bauarbeiten an den Klostergebäuden schließlich beendet werden.

Das Turmjoch mit den beiden markanten Türmen wurde erst 1256–1262 vor die Kirche gesetzt.[3] Dementsprechend weisen sie abgesehen vom Westportal und stilistisch neutralen Friesen vor allem gotische Formen auf.

Nach der Reformation wurde das Kloster Jerichow im 16. Jahrhundert aufgehoben. Die letzten Chorherren mussten das Kloster verlassen. Im Dreißigjährigen Krieg kehrten die Prämonstratenser 1628 zurück, bis 1631 kaiserliche und schwedische Truppen die Stiftsgebäude und -anlagen verwüsteten. Im Jahr 1680 wurde Jerichow schließlich kurbrandenburgische Staatsdomäne. Auf Anweisung von Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg erfolgte 1685 die Instandsetzung der Kirche. Erst fast 200 Jahre später erfolgten erneute Reparaturarbeiten. Von 1853 bis 1856 wurde die Klosterkirche durch Ferdinand von Quast saniert.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde während der Kämpfe zwischen der Wehrmacht und den US-Truppen die Westfassade der Klosterkirche durch amerikanische Artillerie beschädigt. Nach dem Krieg kam es 1946 zu einem Dachstuhlbrand des Ost- und des Südflügels. Während der DDR-Zeit erfolgte zwischen 1955 und 1960 die Instandsetzung der Klosterkirche und die Wiederherstellung des stilreinen romanischen Innenraums. Das Museum im Ostflügel wurde 1977 eröffnet. Zwar wurde von 1985 bis 1986 das Sommerrefektorium restauriert, aber die Schäden an den verbliebenen Klostergebäuden waren gravierend. So musste 1998 die gesamte Klosteranlage wegen schwerer Bauschäden baupolizeilich gesperrt werden. Die dann durchgeführten Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen führten 1999 zur Aufhebung der Sperrung, die Arbeiten zum Erhalt der Klosteranlage wurden jedoch mehrere Jahre fortgesetzt. Am 13. Dezember 2004 wurde die Stiftung Kloster Jerichow gegründet. Die Stifter sind das Land Sachsen-Anhalt, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), der Landkreis Jerichower Land, die Stadt Jerichow, die evangelische Kirchengemeinde Jerichow und der Förderverein Erhaltet Kloster Jerichow e. V. Mit dieser Gründung sind die ehemaligen – seit der Auflösung des Klosters – verstreuten Besitztümer wie Kirchengebäude, Klausurgebäude und ehemalige Staatsdomäne wieder zusammengefasst worden. Die Stiftung ist eine Stiftung nach privatem Recht.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2022 wurde die Stiftung Kloster Jerichow in die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt überführt. Das Kloster Jerichow gehört damit zum Vermögensbestand der öffentlich-rechtlichen Kulturstiftung Sachsen-Anhalt.[4]

Baugeschichtliche Bedeutung

Die Stiftskirche St. Marien und St. Nikolaus gehört als herausragendes Beispiel der Backsteinromanik zu den ältesten dieser Bauten in Norddeutschland und besitzt durch ihre künstlerische Vollendung eine Schlüsselstellung für die märkische Backsteinarchitektur. Die Basilika gehört der Spätromanik an, dazu gehören auch die leicht angespitzten Halbkuppeln der Apsiden und die Kapitell­formen der Krypta. Die ab 1256 errichteten, 59 m hohen Türme hingegen gehören hinsichtlich Bauzeit und Fensterformen schon der Gotik an.[1]

Kaum ein anderes romanisches Bauwerk hat nach seiner Errichtung so wenig spätere Veränderungen erfahren wie die Stiftskirche der Prämonstratenserpropstei Jerichow. Für den Technik- und Stiltransfer aus Italien ist bedeutsam, dass in Jerichow an der Errichtung wenigstens in der Anfangszeit Bauleute aus Italien mitgewirkt haben.[2] Diese direkte Mitwirkung ist nur für sehr wenige Bauten in Norddeutschland nachgewiesen.

Kirchenrechtlich-ordenshistorische Einordnung

Ordensgeschichtlich handelte es sich in Jerichow nicht um ein Mönchskloster, sondern um ein Chorherrenstift des Prämonstratenserordens im Range einer selbständigen Propstei. Die Prämonstratenser folgen als Regularkanoniker der Ordensregel des Hl. Augustinus von Hippo. Dennoch wurde und wird Jerichow häufig allgemein als Kloster bezeichnet, während die baulich und kirchenrechtlich vergleichbaren Kreuzganganlagen neben dem Magdeburger Dom, dem Havelberger Dom und St. Peter und Paul (Brandenburg an der Havel) korrekter als Stift (hier zum Teil als Domstifte) und nicht als Klöster bezeichnet werden. In allen vier Fällen handelte es sich um Niederlassungen von Prämonstratenser-Chorherren. Jerichow war zudem Sitz eines Archidiakonats und betreute elf Pfarreien.

Architektur der Kirche

Die Stiftskirche ist eine fünfjochige flachgedeckte Säulenbasilika und zeigt das vollständige Bauprogramm einer romanischen Kirche mit Krypta, Querhaus und dreiteiligem Chor. Sie war nach einer Urkunde aus dem Jahr 1172 zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen vollendet, doch gibt es nur wenige Unterlagen zur Baugeschichte. Trotz der für Mitteldeutschland frühen Bauzeit weist das Bauwerk bereits eine perfekte Backsteinbautechnik auf. Es wird angenommen, dass diese Technik durch oberitalienische Fachkräfte, welche nach Fertigstellung der Stiftskirche an kleineren Kirchenbauten weiterarbeiteten, vermittelt wurde.[5] Doch stehen Teile der Kirche und die Pfeiler auf einem Sockel aus Grauwacke, was für eine Veränderungen des Bauplans bzw. des verwendeten Materials oder sogar für die Existenz eine Vorläuferbaus aus Holz und Lehm spricht.[6]

Die Architektur der Stiftskirche hatte Einfluss auf umliegende Dorfkirchen wie in Schönhausen, Königsmark, Giesenslage, Redekin, Melkow, Großwulkow und Wust, in denen das Bauprogramm in reduzierter Form übernommen wurde, die jedoch in der Bautechnik teilweise fast an das Vorbild heranreichen.

Der ursprünglich einschiffige Chor wurde in Abänderung des Plans wohl noch während der ersten Bauzeit mit tonnengewölbten Nebenchören versehen. Die drei Chorteile sind jeweils mit einer Apsis ausgestattet. Das Äußere ist schlank proportioniert und reich mit Lisenen, Kreuzbogen- und Zahnschnittfriesen verziert. Die feierliche Strenge des Innenraums wurde durch die Restaurierungen von 1856 und 1955–1960 noch betont. Die Brüstung des Chores und die Aufgänge zum Chor wurden erst bei der Restaurierung 1856 eingebaut, ebenso die Westempore. Die zweischiffige Krypta zeigt an den Säulen Kapitelle in hellgrauem Sandstein mit aufwändigen, feingearbeiteten Palmetten- und Diamantbandverzierungen, teils auch figürliche Darstellungen aus der Zeit um 1180. Die Kirche besitzt einen Westbau, der erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit den oberen Geschossen und den Spitzhelmen versehen wurde. In gotischer Zeit erfolgte auch der zweigeschossige Ausbau des südlichen Nebenchores.


Text: Wikipedia

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