Berlin-Charlottenburger Straßenbahn

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Wagen 47 (Bj. 1876) vor dem Schloss Charlottenburg mit festlichem Schmuck anlässlich des 90. Geburtstages Kaiser Wilhelms I., 22. März 1887

Die Berlin-Charlottenburger Straßenbahn (BCS) war ein privates Straßenbahnunternehmen im Großraum Berlin. Sie wurde 1865 als Berliner Pferde-Eisenbahn (BPfE) gegründet und 1894 anlässlich der bevorstehenden Elektrifizierung umfirmiert. Die von ihr am 22. Juni 1865 eröffnete Linie zwischen dem Brandenburger Tor in Berlin und der noch selbstständigen Stadt Charlottenburg war die erste Straßenbahnlinie Deutschlands. Bis 1914 weitete sie ihr Netz vor allem innerhalb Charlottenburgs aus, die Linien verkehrten darüber hinaus bis in die Berliner Innenstadt, nach Spandau, Weißensee und Neukölln. Im Jahr 1900 erwarb die konkurrierende Große Berliner Straßenbahn drei Viertel der Anteile an der BCS, deren Verwaltung sie ab 1907 übernahm. Die vollständige Übernahme fand 1919 statt. Während der zentrale Abschnitt der ersten Strecke durch den Großen Tiergarten in den 1930er-Jahren dem Ausbau der Ost-West-Achse zum Opfer fiel, war der westliche Ast bis zur Stilllegung des West-Berliner Straßenbahnnetzes am 2. Oktober 1967 befahren. Ein ebenfalls 1865 eröffnetes Teilstück in der Dorotheenstraße ist als der älteste noch vorhandene Streckenabschnitt im Netz der Berliner Straßenbahn in Betrieb.

Geschichte

Vorgeschichte und Eröffnung

Am 26. November 1832 ging mit der New York and Harlem Railroad die weltweit erste Straßenbahn in Betrieb. In Europa verbreitete sich das neue Verkehrsmittel ab 1854 zuerst in Paris. Den öffentlichen Nahverkehr in Berlin bewerkstelligten zu dieser Zeit eine Vielzahl an Fuhrunternehmern mit Droschken und Pferdeomnibussen. Das Berliner Polizeipräsidium wünschte daher eine „Centralisation des sämtlichen öffentlichen Fuhrwesens“, indem es die erforderlichen Konzessionen an einen einzelnen Unternehmer vergab. 1858 trat der französische Staatsrat Carteret mit dem Präsidium in Verbindung. Er schlug ein flächendeckendes Netz aus Pferdeomnibussen und -bahnen vor. Das Vorhaben scheiterte, da Carteret die erforderlichen Mittel nicht aufbringen konnte. Die ihm erteilten Konzessionen erloschen zum 1. Dezember 1859.[1][2] Wagen 40 (Bj. 1875) und Wagen 10 (Bj. 1865) in der Dorotheenstraße mit festlichem Schmuck anlässlich des 90. Geburtstages Kaiser Wilhelms I., 22. März 1887

1863 traten der württembergische Ingenieur von Binger[A 1] und der dänische Ingenieur Møller auf den Plan.[2][3] Møller hatte 1862 die königliche Bewilligung für die Einrichtung einer Pferdebahnlinie in Kopenhagen erhalten, musste sein Vorhaben aber wieder fallen lassen. Zeitgleich stand er mit dem Hamburger Senat und dem Berliner Polizeipräsidium für zwei ähnliche Projekte in Verbindung. Der preußische Handelsminister von Itzenplitz stand Møllers Plänen einer Bahn von Berlin nach Charlottenburg nicht abgeneigt gegenüber. Auf Anraten der Behörden musste dieser jedoch die geplante Streckenführung durch das Brandenburger Tor und den Boulevard Unter den Linden aufgeben und stattdessen eine Streckenführung durch die Sommerstraße[A 2] und Dorotheenstraße wählen. Hierfür war ein zusätzlicher Durchbruch durch die Berliner Zollmauer vonnöten. Der Endpunkt sollte sich am Kupfergraben befinden. Am 23. März 1864 erteilte der Minister Møller die Konzession. Die Konzessionsdauer war auf Wunsch Møllers von fünf auf zehn Jahre ausgedehnt worden. Neben der Linie Kupfergraben – Charlottenburg war Møller die Einrichtung einer Zweiglinie vom Brandenburger Tor über das Kroll’sche Etablissement und der Ausflugsgaststätte In den Zelten zum Kleinen Stern und einer weiteren Linie vom Dönhoffplatz durch die Leipziger Straße und Potsdamer Straße nach Schöneberg gestattet worden.[1]

Zur Finanzierung der Bahn wurde die Übertragung der Konzession auf eine Gesellschaft zugelassen. Am 11. Mai 1864 gründete sich die Kommanditgesellschaft auf Aktien in Firma Berliner Pferdeeisenbahn-Gesellschaft E. Besckow, die sämtliche Rechte und Pflichten übernahm. Die Gebrüder Besckow waren Fuhrunternehmer aus Berlin. Das Grundkapital sollte für beide Linien 510.000 Taler (1.530.000 Mark) betragen. Die Gesellschaft brachte jedoch nur das für die Charlottenburger Linie erforderliche Kapital von 280.000 Talern (840.000 Mark) zusammen, sodass der Bau der Schöneberger Linie zunächst unterblieb. Møller soll die Konzession dieser Linie zunächst behalten haben und sie 1872 an die Große Internationale Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft übertragen haben.[1]

Neben der vom Polizeipräsidenten ausgestellten Konzessionsurkunde musste die Gesellschaft die straßenbaupolizeiliche Genehmigung zur Anlage von Pferdebahnen beantragen und die Zustimmung des Straßeneigentümers zur Benutzung einholen. Bis zum 31. Dezember 1875 oblag die erste Maßnahme ebenfalls dem Berliner Polizeipräsidium, für die Zustimmung war bis zum gleichen Zeitpunkt die Königliche Ministerial-Bau-Commission zuständig. Durch Kabinettsorder vom 28. Dezember 1875 unterstand die Straßenbaupolizei mit Jahresbeginn 1876 den Städten, ebenso gingen die meisten Straßen in das Eigentum der Städte über. Unberührt hiervon blieben diverse Landstraßen und die Straße Unter den Linden.[4]

Der Bau der Strecke begann im Januar 1865. Knapp einen Monat vor der Inbetriebnahme gab der Berliner Polizeipräsident eine Verordnung über den Betrieb der Pferdeeisenbahn heraus. Die 42 Paragraphen umfassende Vorschrift regelte unter anderem die Beschriftung der Wagen, Dienstkleidung und die Beförderungsbedingungen. Die Kutscher waren dazu angehalten, nicht schneller als im Trab zu fahren, vor Straßenkreuzungen war Schritt vorgeschrieben. Frauen war darüber hinaus das Betreten des Oberdecks untersagt, diese Regelung wurde erst im Vorfeld der Berliner Gewerbeausstellung 1896 aufgehoben.[1][5] Gegenüber den Torwagen („Kremser“) war den Kutschern das Anrufen von Passanten zur Mitfahrt untersagt. War die Weiterfahrt durch Hindernisse, die nicht augenblicklich beseitigt werden konnten, unterbrochen, sollten die Wagen aus den Schienen herausgehoben und die Stelle umfahren werden.[4] Bei Fahrten in Kolonne sollten mindestens 60 Schritte, bei stehenden Wagen mindestens zehn Schritte Abstand gehalten werden, damit die Zugpferde die Wagen nicht anknabberten.[6]

Am 22. Juni 1865 ging der erste Abschnitt zwischen Brandenburger Tor und dem Straßenbahnhof in Charlottenburg in Betrieb. Zwei Monate darauf folgte am 28. August die Verlängerung der Bahn vom Brandenburger Tor zum Kupfergraben. Die Strecke war zunächst eingleisig mit acht Ausweichen angelegt. Der Streckenverlauf führte von der Dorotheenstraße über Sommerstraße, Charlottenburger Chaussee,[A 3] Berliner Straße[A 4] und Spandauer Berg[A 5] zur Ecke Sophie-Charlotte-Straße. Ausweichmöglichkeiten gab es an den Endstellen sowie an der Kreuzung Dorotheenstraße Ecke Neue Wilhelmstraße,[A 6] in der Sommerstraße, am Großen Stern, an der Grenze zu Charlottenburg, am Knie,[A 7] am Wilhelmplatz[A 8] und am Luisenplatz.[1]

Die 1865 ebenfalls genehmigte Zweigstrecke Zu den Zelten konnte 1866 oder 1872 eröffnet werden. Sie blieb wegen mangelnder Rentabilität nur bis 1874 oder 1875 in Betrieb.[1][7]

Ausbau des Streckennetzes

Trotz des vergleichsweise hohen Fahrpreises von zweieinhalb Silbergroschen (25 [Reichs-]Pfennig) erwies sich die Bahn als Erfolg. Im ersten vollen Betriebsjahr 1866 transportierte sie rund 960.000 Fahrgäste;[2][6] wobei eine außerordentliche Belastung im Ausflugsverkehr zu beobachten war. Während im Januar 1866 46.560 Fahrgäste gezählt wurden, waren es im August desselben Jahres 165.230. Der Schriftsteller Hans Wachenhusen schilderte eine solche Ausflugsfahrt während der ersten Betriebsjahre. Am Kupfergraben waren an solchen Tagen mehrere Hundert Menschen an der Haltestelle zu beobachten, ein Zustieg entlang der Strecke war nahezu unmöglich. Zeitungen berichteten, dass die für 45–50 Personen zugelassenen Wagen teilweise bis zu 93 Fahrgäste aufnehmen mussten. Da dadurch wiederum der Fahrplan nur bedingt einzuhalten war, ergab sich kaum eine Zeitersparnis gegenüber den Fußgängern auf gleicher Strecke. Die Satireschrift Kladderadatsch nahm diese Umstände zum Anlass ein „Reglement zur Benutzung der Berliner Pferdebahn“ herauszugeben, in dem beispielsweise für Fußgänger, die Pferdebahnwagen überholten, eine Übereilungsstrafe von fünf Silbergroschen vorgesehen war.[1]

Im Jahr 1871 ließ die Terrain-Gesellschaft Westend H. Quistorp & Co. auf eigene Kosten eine eingleisige Strecke vom Pferdebahnhof in die Villenkolonie Westend anlegen. Die Betriebsführung übertrug sie der BPfE. Die Strecke war 1,4 Kilometer lang und wies auf einer Länge von 620 Metern eine Steigung von 33,3 Promille auf. Die Bedienung erfolgte mit einer Pendellinie ab dem Pferdebahnhof, da die auf der Hauptlinie eingesetzten zweispännigen Decksitzwagen außerstande waren, die Steigung zu bewältigen.[3] Im gleichen Jahr gründete sich die Große Berliner Pferde-Eisenbahn-Aktien-Gesellschaft (GBPfE), die beginnend ab 1873 mehrere Strecken von Berlin in die Vororte eröffnete.[8][7]

Nach Ablauf der ersten Konzession firmierte das Unternehmen ab 1875 unter dem Namen Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft, Kommandit-Gesellschaft auf Aktien J. Lestmann & Co.[2] Im gleichen Jahr ging eine Zweigstrecke vom Großen Stern über Fasanerieallee und Corneliusbrücke zum Haupteingang des Zoologischen Gartens in Betrieb. Die Hauptstrecke erhielt durchgehend ein zweites Streckengleis.[3] Es folgten weitere Strecken von Westend zum Spandauer Bock (1879), vom Knie über die Hardenbergstraße zum Zoologischen Garten (1880), über die Rankestraße zum Joachimsthalschen Gymnasium (1881), vom Kurfürstendamm zum Lützowplatz (1885), vom Wilhelmplatz über die Wilmersdorfer Straße zum Stadtbahnhof (1887) sowie vom Knie über Marchstraße, Gotzkowskybrücke und Alt-Moabit nach Moabit, Paulstraße.[7] Mit der Stadt Berlin schloss das Unternehmen am 7. Mai 1881 einen neuen Zustimmungsvertrag bis zum 31. Dezember 1909 ab, der unter anderem die Genehmigung zur Anlage neuer Linien enthielt.[2]

Häufiger Traktionswechsel

Der Betrieb als Pferdebahn zeigte schnell die Grenzen dieser Traktionsart auf. Um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, experimentierte die BPfE mehrfach mit unterschiedlichen Antriebsmöglichkeiten. Ab dem 20. April 1878 setzte die BPfE auf der Strecke Brandenburger Tor – Pferdebahnhof zwei Kastendampflokomotiven von Wöhlert und Krauss ein. Als Beiwagen dienten Pferdebahnwagen. Der Versuch mit Dampfstraßenbahnen lief parallel zu den Pferdebahnen bis zur Einstellung am 11. August 1878. Neben der Rauchbelästigung stellte sich heraus, dass der Ober- und Unterbau zu schwach für die Lokomotiven ausgelegt waren. 1881/82 starte die Bahn einen zweiten erfolglosen Versuch mit Rowan’schen Dampftriebwagen.[2]

Nach der Eröffnung der ersten elektrischen Straßenbahn der Welt im Mai 1881 suchte Siemens & Halske nach einer geeigneten Strecke, um den elektrischen Antrieb weiter erproben zu können. Die zweieinhalb Kilometer lange Strecke vom Pferdebahnhof über Westend zum Spandauer Bock bot mit ihrer für Berliner Verhältnisse starken Steigung ein optimales Versuchsfeld. Am 1. Mai 1882 begann der Versuchsbetrieb mit den umgerüsteten Wagen 36 und 38. Parallel zur Strecke waren in einer Höhe von vier bis fünf Metern zwei voneinander isolierte Kupferdrähte gespannt. Auf diesen lief ein mit Motor versehener zwei- beziehungsweise vierrädriger Kontaktwagen. Über ein biegsames Kabel war der Kontaktwagen mit den Triebwagen und den Fahrmotoren verbunden. Da die Fahrleitung nur einspurig verlegt war, mussten die Triebwagen an den Begegnungspunkten vom Kontaktwagen getrennt und mit dem jeweils anderen Kontaktwagen wieder verbunden werden. Das System bewährte sich nicht, sodass Siemens & Halske ab Ende 1882 die Fahrleitung durch eine Schlitzrohrfahrleitung ersetzte. Als Stromabnehmer dienten nun in die Fahrleitung eingelassene Schlitten, die die Triebwagen während der Fahrt hinter sich her zogen. Die Betriebsspannung lag bei 180 Volt Gleichstrom, die Triebwagen erreichten in der Ebene eine Geschwindigkeit von 20 km/h, in der Steigung 10–12 km/h. Im Mai 1883 wurde der Versuchsbetrieb wieder eingestellt.[9][10] Im August 1886 führte die BPfE probeweise Fahrten mit einem Akkumulatortriebwagen auf der Linie Pferdebahnhof – Lützowplatz durch. Nach mehreren Entgleisungen war der Triebwagen derart beschädigt, dass der Versuch eingestellt werden musste.[2][6][7]

Umbenennung und Elektrifizierung

Stuttgarter Platz am Bahnhof Charlottenburg mit zwei Triebwagen auf den Linien V und S im Vordergrund, um 1903 Platz vor dem Brandenburger Tor[A 9], die Strecke in den Tiergarten geht rechts ab, aus ästhetischen Gründen war eine Oberleitung nicht vorhanden, 1904

Die BPfE erzielte bis 1882 befriedigende Ergebnisse, die sich durch die Inbetriebnahme der Stadtbahn vom Schlesischen Bahnhof[A 10] zum Bahnhof Charlottenburg schlagartig verschlechterten. Die Eröffnung der Haltestelle Tiergarten verschärfte die Situation zusätzlich. Für Fahrten zwischen der Berliner Innenstadt und dem Kurfürstendamm nutzten die Fahrgäste zudem vorzugsweise die Linien der GBPfE über Potsdamer Platz und Lützowplatz. Die bis 1890 eröffneten Linien änderten nur wenig an der Situation, da sie vorwiegend innerhalb Charlottenburgs verkehrten und eine Ausweitung innerhalb Berlins durch die Konkurrenz der GBPfE nicht möglich war.[12]

1892 schlug Siemens & Halske dem Charlottenburger Magistrat die Einrichtung einer elektrischen Straßenbahnlinie im Verlauf der ersten Linie von 1865 vor. Hintergrund war die zum 30. Juni 1895 auslaufende Konzession. Da der Magistrat dem Vorhaben wohlwollend gegenüberstand, sah sich die BPfE dazu veranlasst, Siemens & Halske mit der Elektrifizierung des Streckennetzes zu beauftragen, um die Konzessionen weiterhin zu erhalten. Am 6. Januar 1893 unterzeichneten beide Seiten den entsprechenden Vertrag. Im Hinblick auf die bevorstehende Elektrifizierung änderte das Unternehmen am 26. September 1894 seinen Firmennamen in Berlin-Charlottenburger Straßenbahn AG.[2][6][7]

Ab 1896 begannen erneut Testfahrten mit Akkumulatortriebwagen. Da mehrere Institute und Behörden Bedenken äußerten, entschied sich das Unternehmen zur vollständigen Einführung des Akkumulatorbetriebes. Die Behörden wollten eine Verunzierung des Straßenbildes durch die Fahrdrähte verhindern, außerdem fürchtete die Physikalisch-Technische Reichsanstalt eine Verfälschung ihrer Messergebnisse durch „vagabundierende Ströme“. Parallel dazu fanden Fahrten mit einem Gasmotortriebwagen der Deutschen Gasbahngesellschaft statt; das Fahrzeug war später bei der Hirschberger Thalbahn im Einsatz.[13]

Die offizielle Umstellung auf elektrischen Akkumulatorbetrieb begann am 3. August 1897 auf dem Streckenabschnitt Brandenburger Tor – Pferdebahnhof. Einen Monat später war die komplette Linie bis Kupfergraben umgestellt. Ende November schloss die BCS mit der Stadt Charlottenburg einen neuen Zustimmungsvertrag mit Gültigkeit bis zum 30. September 1937 ab, in dem die Einrichtung weiterer Linien zugesagt wurde. Die BCS verpflichtete sich gleichzeitig zur Einführung eines 10-Pfennig-Einheitstarifes innerhalb der Gemeinde. Mit der Gemeinde Deutsch-Wilmersdorf kam ein ähnlicher Vertrag zustande. Noch während der Umstellungsphase zeigten sich die Nachteile des Akkumulatorbetriebs auf. Neben der geringen Reichweite und der hohen Störanfälligkeit fühlten sich die Fahrgäste durch die Säuredämpfe belästigt. Daher beantragte das Unternehmen 1898 die Umrüstung auf Oberleitungsbetrieb mit Schleifbügel. Die ersten Linien konnten am 1. Januar 1899 umgestellt werden. Auf einigen Streckenabschnitten, so in einem Radius von einem Kilometer um die Physikalisch-Technische Reichsanstalt und am Brandenburger Tor, war hingegen weiterhin keine Oberleitung gestattet.[7][14][15]

Einhergehend mit der Elektrifizierung eröffnete die BCS weitere Streckenabschnitte und baute die bestehenden Strecken zweigleisig aus. Die 1880 in der Hardenbergstraße angelegte Strecke erhielt 1898 das zweite Gleis.[7] Im August 1899 ging die Strecke von der Spandauer Straße über Schloßstraße, Suarezstraße, Amtsgerichtsplatz und Leonhardstraße zum Stadtbahnhof in Betrieb, im gleichen Monat war die Strecke durch die Wilmersdorfer Straße elektrifiziert. Ab dem 28. Oktober 1899 fuhr die Straßenbahn durch die Bismarckstraße, Grolmannstraße und Knesebeckstraße bis zum Kurfürstendamm. Ab dem 30. Mai 1900 war die Bismarckstraße zwischen Knie und der Schloßstraße am Sophie-Charlotte-Platz durchgängig befahrbar.[16][17]

Übernahme durch die Große Berliner Straßenbahn

Am 9. März 1900 kam zwischen der BCS und der Stadt Berlin ein neuer Zustimmungsvertrag mit Gültigkeit bis zum 31. Dezember 1919 zustande. Im gleichen Jahr erwarb die Große Berliner Straßenbahn (GBS, ehemals GBPfE) drei Viertel des Aktien- und Obligationskapitals, womit die formelle Selbstständigkeit der Bahn aufhörte. Die Verwaltung übernahm die GBS. Im Gegenzug ergab sich für die BCS nun die Möglichkeit, ihre Linien über die Strecken der GBS und deren Tochtergesellschaften Westliche Berliner Vorortbahn (WBV) und Südliche Berliner Vorortbahn (SBV) auszudehnen. Hierzu war die Umrüstung der Oberleitung und Triebwagen von Schleifbügel auf Rollenstromabnehmer vonnöten. Am 16. Juni 1900 erhielt die Bahn vom Berliner Polizeipräsidium eine neue Konzession bis zum 31. Dezember 1949. Der Inhalt deckte sich weitestgehend mit der Konzession für die GBS. Da Konzession und Zustimmungsvertrag unterschiedliche Laufzeiten aufwiesen, kam es in der Folge zu Differenzen und Rechtsstreitigkeiten zwischen der GBS und ihren Tochtergesellschaften auf der einen und dem Berliner Magistrat auf der anderen Seite. Der Magistrat beschloss daraufhin die Einrichtung eines städtischen Straßenbahnbetriebes.[14]

Die Aufsichtsbehörde erließ am 26. September 1900 eine Anordnung, die die Umstellung der verbliebenen, mit Akku-Triebwagen betriebenen, Strecken auf Oberleitungsbetrieb vorschrieb. Auf der Charlottenburger Chaussee westlich der Ecke Siegesallee bis zum Brandenburger Tor und weiter durch die Sommerstraße sowie vor dem Schloss Charlottenburg war aus ästhetischen Gründen eine Unterleitung vorgeschrieben. In Höhe der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt wurde hingegen eine zweipolige Oberleitung gespannt, um einen Rückstrom durch die Fahrschienen zu vermeiden. Im Februar 1901 verkehrte die letzte Pferdebahnlinie, der Akkumulatorbetrieb endete im Folgejahr. Der Unterleitungsbetrieb stellte sich ebenfalls als störanfällig heraus, da die Kabelkanäle in der kalten Jahreszeit oft mit Laub und Schneematsch verstopft waren. Die letzten Unterleitungsabschnitte wurden daher 1906/07 auf Oberleitung umgerüstet.[14][15]

Am 6. Mai 1902 führten die GBS und ihre Tochtergesellschaften zur Kennzeichnung ihrer Linien Nummern und Buchstaben ein. Diese ersetzten die zuvor an den Wagen angebrachten farbigen Signallaternen; bei der BCS waren diese spätestens mit dem Übergang zur GBS eingeführt worden. Für die Linien der GBS waren ein- bis dreistellige Zahlen vorgesehen, die Linien der WBV erhielten die Buchstaben A bis M zugeordnet, die Linien der BCS die Buchstaben N bis Z. Die Umstellung zog sich bis Dezember 1902 hin.[18] Linienumstellung 1902[7] Signaltafel Weiß Gelb Grün Rot Weiß Weiß/Grüner Strich Weiß/Gelber Strich Weiß/Blauer Strich Liniennummer N O P Q R S T U

Im September 1905 legte die GBS zwei Projekte für Straßenbahntunnel vor, die den Ost-West-Verkehr bündeln und die viel befahrene Leipziger Straße entlasten sollten. Ein Nordtunnel sollte vom Kleinen Stern entlang der Straße Unter den Linden bis zum Opernplatz führen und die entlang der Dorotheenstraße fahrenden Linien aufnehmen. Am Brandenburger Tor und am Opernplatz waren Gleisschleifen vorgesehen, um auch den Nord-Süd-Verkehr aufzunehmen. Da die Pläne vielfach ob ihrer mangelhaften Ausführung kritisiert wurden, kam es zu keiner Realisierung. Lediglich eine Nord-Süd-Verbindung in Höhe des Opernplatzes, der Lindentunnel, wurde bis 1916 gebaut.[19]

Die BCS erweiterte ihr Streckennetz in Charlottenburg und Wilmersdorf zwischen 1901 und 1914 um weitere Verbindungen. 1901 ging die Verbindung vom Stadtbahnhof zum Kurfürstendamm in Betrieb. Es folgten Strecken durch die Wilmersdorfer Straße und Brandenburgische Straße zum Fehrbelliner Platz und in Wilmersdorf von der Wilhelmsaue zur Prinzregentenstraße (1902), in der Leibnizstraße und Alt-Moabit westlich der Gotzkowskybrücke (1905), in der Ringbahnstraße in Halensee sowie in der Kaiser-Friedrich-Straße (1912). Außerhalb des Kernnetzes wurden 1902 die Prinz-Albrecht-Straße[A 11] und Zimmerstraße in der Berliner Friedrichstadt erschlossen. Zwischen 1911 und 1914 ging zudem eine Verbindung in Weißensee von der Weißenseer Spitze zur Rennbahnstraße in Betrieb. Den Abschluss bildete die Strecke durch den Kaiserdamm vom Sophie-Charlotte-Platz zum Bahnhof Heerstraße am 30. Juni 1914.[17]

Westlich von Charlottenburg entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf den Nonnenwiesen die Siemensstadt. Da diese noch unzureichend erschlossen war, traten die Unternehmen Siemens &&Halske und Siemens-Schuckertwerke in Verhandlungen mit der BCS und der Stadt Charlottenburg ein. Die Stadt erklärte sich bereit, eine Straße zur Grenze nach Siemensstadt anzulegen, die BCS errichtete parallel dazu eine 1,9 Kilometer lange Straßenbahnstrecke vom Landgericht am Gustav-Adolf-Platz über Bahnhof Jungfernheide zur Gemarkungsgrenze. Auf dieser verkehrte ab dem 1. Dezember 1913 eine Pendellinie V. Nach drei Monaten wurde die Linie am 1. Februar 1914 zugunsten der verlängerten Linie 164 der GBS eingestellt. Diese verkehrte ab dem 9. Juni 1914 über die Gemarkungsgrenze hinaus in die Siemensstadt.[20]

Ab 1907 stellte die GBS das Personal für die Berlin-Charlottenburger Straßenbahn.[14] Die Betriebsergebnisse waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts trotz der Streckeneröffnungen und der Elektrifizierung zurückhaltend. Durch die gleichzeitige Verlängerung der Linien nach Berlin stiegen die Fahrgastzahlen von 1902 bis 1911 auf mehr als das Doppelte an. 1911 schüttete das Unternehmen eine erstmals wieder eine Dividende von 2,5 Prozent aus.[7]

Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam es ab dem 3. August 1914 zu Einschränkungen im Linienverkehr. Die 1875 angelegte Strecke vom Großen Stern zum Kurfürstendamm wurde ab dem 15. November 1916 nicht mehr bedient.[24] Der Endpunkt in der Dorotheenstraße wurde am 24. Dezember 1915 direkt in die Straße Am Kupfergraben verlegt.[7] Der Zeitraum dazwischen markiert den größten Ausbauzustand, die Streckennetzlänge betrug 39,62 Kilometer zweigleisige Strecken bei einer Gesamtgleislänge von 87,72 Kilometer.[25]

Da sich im westlich benachbarten Spandau mehrere kriegswichtige Betriebe befanden (u.a. die Siemenswerke und die Armee-Konservenfabrik), veranlasste das Militär die Verknüpfung des Charlottenburger mit dem Spandauer Straßenbahnnetz. Die Spandauer Linien fuhren seit 1906 zum Spandauer Bock und seit 1908 in die Siemensstadt, eine Gleisverbindung zwischen beiden Netzen bestand trotz gleicher Spurweite und Oberleitungsbauart nicht. Am Spandauer Bock verhinderte zudem eine Anhöhe die Gleisverbindung. Nach Abtragung dieser konnten ab dem 13. Mai 1917 die Linien über den Spandauer Bock hinaus zur Triftstraße in Spandau verkehren. Ab dem 21. Januar 1918 waren beide Netze in Siemensstadt miteinander verbunden.[7][26][27]

Am 28. Mai 1918 kam es zwischen der GBS und ihren Tochtergesellschaften und dem Verband Groß-Berlin zum Abschluss eines neuen Zustimmungsvertrages bis Ende 1949. Der Vertrag enthielt auch die Option zur Verschmelzung der GBS mit ihren Tochtergesellschaften, welche der Zweckverband am 3. März 1919 genehmigte. Die Übernahme der Berlin-Charlottenburger Straßenbahn und ferner der Westlichen, Südlichen und Nordöstlichen Berliner Vorortbahn durch die Große Berliner Straßenbahn wurde am 15. Mai 1919 vollzogen. Die BCS hörte damit auf zu bestehen. Zwei Monate später erwarb der Verband Groß-Berlin die Große Berliner Straßenbahn und wandelte diese am 20. September 1919 in ein kommunales Unternehmen um. Durch den Zusammenschluss der GBS mit der Berliner Elektrischen Straßenbahn und den Straßenbahnen der Stadt Berlin entstand am 13. Dezember 1920 die Berliner Straßenbahn (BSt), aus der 1923 die Berliner Straßenbahn-Betriebs-Gesellschaft und 1928/29 die Berliner Verkehrs-Gesellschaft (BVG) hervorgingen.[28]

Weitere Entwicklung nach 1919

Nach dem Zusammenschluss strukturierte die Berliner Straßenbahn das Liniennetz neu und vergab einheitliche Liniennummern. Da es durch die Hyperinflation Anfang der 1920er-Jahre zu mehrfachen Linienänderungen und -einstellungen kam, ist ein Vergleich zwischen den einzelnen Linien für diese Zeit nicht möglich. In dieser Zeit kommt es zu Streckeneinstellungen im nördlichen Kurfürstendamm und der Wichmannstraße sowie in der Rankestraße.[24] Am 1. November 1934 musste die Straßenbahnstrecke durch die Charlottenburger Chaussee und Berliner Straße zwischen Brandenburger Tor und Knie für den Ausbau zur Ost-West-Achse stillgelegt werden. Die daran anschließende Strecke durch die Bismarckstraße und den Kaiserdamm bis zum Adolf-Hitler-Platz[A 12] folgte drei Jahre darauf am 1. November 1937.[29]

Nach dem Zweiten Weltkrieg werden mehrere Streckenabschnitte nicht wieder in Betrieb genommen, unter anderem in Moabit, zwischen Amtsgerichtsplatz und Halensee sowie in Weißensee.[30] Die nach 1948 in West-Berlin gelegenen Strecken wurden ab 1954 kontinuierlich stillgelegt. Der letzte Abschnitt vom Bahnhof Zoo über Ernst-Reuter-Platz und Luisenplatz und die daran anschließende Strecke entlang des Spandauer Damms bis zur Königin-Elisabeth-Straße wurden am 2. Oktober 1967 eingestellt.[31] Das Datum markiert gleichzeitig das Ende der Straßenbahn in den Westsektoren der Stadt. Den im Ostsektor gelegene Abschnitt in der Ebertstraße und Clara-Zetkin-Straße[A 13] westlich der Planckstraße nutzten die Straßenbahnzüge bis zum Bau der Berliner Mauer als Wendedreieck.[32] Der verbliebene Rest bis zum Kupfergraben ist nach wie vor in Betrieb.


Text: Wikipedia

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