Armin Mueller-Stahl

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Armin Mueller-Stahl (* 17. Dezember 1930 in Tilsit, Ostpreußen) ist ein deutscher Schauspieler, Musiker, Maler und Schriftsteller. Als einzigem deutschen Filmschauspieler wurde ihm in beiden deutschen Staaten und in Hollywoods Filmindustrie große Anerkennung zuteil. Für seine Rolle in Shine – Der Weg ins Licht wurde er 1997 für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert.

Leben

Kindheit

Armin Mueller-Stahl ist das dritte von fünf Kindern des ostpreußischen Bankkaufmanns Alfred Mueller-Stahl und dessen Frau Editha, geb. Maaß, einer Ärztin.[1] Sie war eine Baltendeutsche aus Estland, deren Familie 1918 von Petrograd aus nach Tilsit geflohen war. Armin und sein Bruder Hagen wuchsen in einer kunstliebenden Familie auf, in der man malte, zeichnete und gemeinsam musizierte. Sein Vater hatte ursprünglich Schauspieler werden wollen, er spielte am Tilsiter Theater mit und führte an den Geburtstagen seiner Familie eigene Sketche auf. Mueller-Stahl erlebte eine unbeschwerte Kindheit bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, als sein Vater eingezogen wurde. 1938 übersiedelte die Familie nach Prenzlau. Der Vater starb am 1. Mai 1945 in einem Lazarett im mecklenburgischen Schönberg, wie die Familie erst 28 Jahre später erfuhr.[2] Nach Vermutung von Mueller-Stahl wurde er von deutschen Soldaten wegen versuchter Desertion umgebracht, da über ihn keine Krankenakte angelegt worden war.[3] Am gleichen Tag wurde der 14-jährige Armin in Goorstorf bei Rostock, wohin die Mutter mit den Kindern geflüchtet war, von einem sowjetischen Soldaten als vermeintlicher Hitlerjunge mit der Erschießung bedroht. In letzter Sekunde verhalf ihm ein mutiger, ehemaliger polnischer Kriegsgefangener zur Flucht.[4] Nach Kriegsende kehrte die Mutter mit ihren Kindern in das niedergebrannte Prenzlau zurück, wo er bis 1948 die Schule besuchte. Im selben Jahr zog er „mit seinem Geigenkasten nach Berlin“.

DDR

Mueller-Stahl strebte zunächst an, professioneller Geiger zu werden. Vorbilder waren für ihn Gerhard Taschner und David Oistrach. Er studierte Violine und Musikwissenschaft am städtischen Konservatorium in West-Berlin, was er 1949 mit einem Examen als Musiklehrer abschloss. Dann wechselte er zur Schauspielerei. Zunächst wegen „mangelnder Begabung“ zum Abbruch des Studiums gezwungen,[2] erhielt er dennoch 1952 nach einem Vorstellungsgespräch bei Helene Weigel sein erstes festes Engagement am Berliner Theater am Schiffbauerdamm. Mit dessen Ensemble wechselte er 1954 unter der Intendanz von Fritz Wisten an die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.[5] Dort spielte er über 20 Jahre, unter anderem in den Stücken Emilia Galotti, Kabale und Liebe und Was ihr wollt, bevor er seine Theaterkarriere in den 1970er Jahren beendete.[6] Neben vielen anderen DDR-Schauspielern stand er auch am Theater der Bergarbeiter Senftenberg in Senftenberg auf der Bühne.

2014 gab Mueller-Stahl an, die DDR zwar 1956 nach dem Einmarsch in Ungarn „gehasst“, 1961 aber mit dem Bau der Berliner Mauer „einverstanden“ gewesen zu sein, weil er gehofft habe, dass man nun „ungestört den Sozialismus aufbauen“ könne.[7] Daher spielte er auch später in Filmen mit, die den gerade erfolgten Bau der Berliner Mauer als gerechtfertigt darstellten: Mueller-Stahl ist in … und deine Liebe auch Kommandeur einer DDR-Betriebskampfgruppe, der seinen Bruder an der Berliner Mauer mit der Waffe daran hindert, in den Westen zu fliehen, und seine Verhaftung bewirkt. Seine Schauspielerkarriere beim Film 1960 begann mit dem Vierteiler Flucht aus der Hölle, in dem er aus der Bundesrepublik Deutschland in die DDR flieht, und dem im spanischen Bürgerkrieg spielenden Drama Fünf Patronenhülsen, in dem auch sein Freund und Kollege Manfred Krug mitwirkte. In den nächsten Jahren standen die beiden oft gemeinsam vor der Kamera, so etwa 1974 in dem Spielfilm Kit & Co. Mueller-Stahl wurde schließlich in der DDR zu einem gefeierten Charakterdarsteller, wie zum Beispiel für seine Darstellung des indianerfreundlichen Weißen Chris Howard in dem DEFA-Indianerfilm Tödlicher Irrtum. Er wurde fünf Mal in Folge zum beliebtesten Schauspieler der DDR gewählt.

Von 1973 bis 1975 verkörperte Mueller-Stahl einen MfS-Agenten in der beliebten Fernsehserie Das unsichtbare Visier, die als Gegenbild zur James-Bond-Reihe angelegt war.[8] Als die Serie politischer konzipiert werden sollte, stieg Mueller-Stahl aus, was für ihn einen endgültigen Bruch mit der DDR bedeutete. Seine Unterzeichnung des offenen Briefs gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR Ende 1976 war nur noch ein letzter Schritt. Daraufhin wurden ihm zweieinhalb Jahre lang kaum noch Rollen angeboten. Die Zwangspause nutzte er zur Niederschrift seiner Autobiographie Verordneter Sonntag. 1980 wurde Mueller-Stahls Antrag, nach West-Berlin ausreisen zu dürfen, genehmigt.

Bundesrepublik und USA

In der Bundesrepublik konnte er bald wieder an die alten Erfolge anknüpfen, 1981 spielte er die männliche Hauptrolle in Lola von Rainer Werner Fassbinder und in Der Westen leuchtet! von Niklaus Schilling. Mueller-Stahl war später im Gespräch für die Hauptrolle der Fernsehserie Schwarzwaldklinik. Auch andere Fernsehserien wie Der Alte interessierten ihn nicht, stattdessen nahm er Rollen in Autorenfilmen der deutschen Filmemacher Herbert Achternbusch, Alexander Kluge und Hans-Christoph Blumenberg an. Ebenso engagierten ihn international bekannte Regisseure wie Andrzej Wajda oder Patrice Chéreau für ihre Filme.

Obgleich er noch kaum Englisch beherrschte, entschloss sich Mueller-Stahl Ende der 1980er-Jahre zu einem weiteren Neubeginn in den USA. Bei seinem ersten Film-Engagement Music Box – Die ganze Wahrheit (1989) von Costa Gavras behalf er sich mit Tricks wie etwa der phonetischen Nachahmung des Englischen, bei jeder Aufnahme die Betonung variierend, und dem langsamen Vortrag eines Monologs, dabei intensiv die Angesprochenen und schnell die Textvorlage anschauend, was er sich von Helmut Schmidts parlamentarischen Reden abgeschaut hatte.[9] Er spielte einen ungarischen Einwanderer, der in den USA angeklagt wird, Mitglied bei den Pfeilkreuzlern gewesen zu sein und in Budapest kurz vor Kriegsende eigenhändig Juden ermordet zu haben. Mueller-Stahl verstand es, bis kurz vor Schluss die Schuld oder Unschuld des Emigranten offenzulassen. Mit diesem Hollywood-Debüt konnte er einen internationalen Erfolg verzeichnen.

Große Anerkennung erntete er 1990 für seine tragisch-komische Darstellung des polnisch-jüdischen Großvaters Sam Krichinsky in seinem zweiten Hollywood-Film Avalon. Im Episodenfilm Night on Earth (1991) spielte er den ostdeutschen Taxifahrer und früheren Zirkusclown Helmut Grokenberger, der in New York sein Glück versucht. Hier konnte Armin Mueller-Stahl auch sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen. Für die Rolle des fordernd-überforderten Vaters des Pianisten David Helfgott in Shine – Der Weg ins Licht wurde er 1997 mit einer Oscar-Nominierung geehrt.

Als Mueller-Stahl Einblick in seine Stasi-Akten nahm, musste er feststellen, unter anderem von seinem besten Freund an die Staatssicherheit verraten worden zu sein. Dennoch hält er bis heute ein Gesprächsangebot an ihn aufrecht und schützt ihn mit seiner Verschwiegenheit. Heute ist ihm Kalifornien zur zweiten Heimat geworden, das angenehme kalifornische Klima und die Gewissheit, dort „neue Freunde ohne DDR-Vergangenheit“ zu finden, gaben ihm den Ausschlag für seinen neuen Wohnsitz.[10] Er wohnt in Pacific Palisades nahe der ehemaligen Wohnung von Thomas Mann und hat neben der deutschen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Trotz seines Erfolgs auch in Hollywood kehrte er immer wieder nach Deutschland zurück. So etwa übernahm er die Hauptrolle des Thomas Mann in dem Fernseh-Dreiteiler Die Manns – Ein Jahrhundertroman. Diese Darstellung wird mitunter als die gelungenste seiner Karriere angesehen. Im Jahr 1994 produzierte die ARD unter assistierender Regieführung von Mueller-Stahl den Film Der Dicke mit Günter Strack als Gregor Ehrenberg. Eine Fortsetzung konnte aufgrund Stracks Erkrankung nicht mehr realisiert werden. Von 2005 bis 2012 lief in der ARD eine Serienfolge dieser Filmidee mit Dieter Pfaff in der Hauptrolle von Der Dicke.

Mueller-Stahl legte mit Gespräch mit dem Biest (1996) seine erste und bisher einzige Regie-Arbeit vor. Er schrieb bereits einige Romane und Erzählungen. Weiterhin präsentierte Mueller-Stahl seine Zeichnungen und Aquarelle schon in mehreren Ausstellungen, 2001 fand die erste Präsentation im Filmmuseum Potsdam statt, später auch im Lübecker Buddenbrookhaus und anderen Orten. Seine Zeichnungen entstanden vor allem in den Drehpausen am Filmset. Während er sich beim Filmschauspiel immer sehr eingebunden fühle, seien das Malen und Schreiben die einzigen Momente, in denen er „wirklich fliegen“ könne.[11] Armin Mueller-Stahl auf der Berlinale 2010

Am 30. September 2006 kündigte er seinen Abschied aus dem Filmgeschäft an. Als Gründe für seinen Ausstieg gab er unter anderem an, dass die spektakuläre Bekanntheit und die außergewöhnlich hohe Bezahlung von Schauspielern und Produzenten heutzutage nicht mehr der Qualität ihrer Leistungen noch deren tatsächlichen Können entspreche. Nach den Dreharbeiten wolle er sich dann ganz der Malerei, der Musik und der Förderung junger Künstler widmen.[10] Es folgten die Buddenbrooks-Verfilmung von Heinrich Breloer und eine Hauptrolle in Cronenbergs Tödliche Versprechen – Eastern Promises. Entgegen den häufig in der Presse geäußerten Vermutungen eines völligen Rückzugs betonte Mueller-Stahl, dass er bis zu seinem Lebensende gute Rollen spielen möchte, jedoch mit abnehmender Häufigkeit.[11] Bei seinen Lesungen mit dem Motto Bin schon Gaukler 50 Jahr…, einen Anfang seiner Gedichte zitierend, wird er von der Violinistin Sarah Spitzer und dem Pianisten Mike Jin begleitet.

2007 gestaltete Mueller-Stahl mit fünf Lithografien die Buchrücken einer auf 999 Exemplare begrenzten Sonderausgabe der 30-bändigen Brockhaus Enzyklopädie, die für 5000 Euro angeboten wurden.[12] [13] Seit 2001 tritt er mit seinen Zeichnungen zunehmend in die Öffentlichkeit und zeigt sie in einer Reihe von Ausstellungen. Über sein zeichnerisches Werk sagte er: „Beim Zeichnen ist man selbst der Regisseur. Es gibt keine Verbote, und man hat alle Freiheiten. […] Das Zeichnen fiel mir so leicht, ich dachte, alles, was einem leichtfällt, ist nicht so bedeutend. Zeichnen ist für mich viel leichter als schauspielern.“[14] Trotzdem gibt sich Mueller-Stahl durchaus bescheiden, was sein zeichnerisches Talent angeht. Es sei beispielsweise nicht groß genug, um die Natur in ihrer ganzen Schönheit wiederzugeben, ihm gehe es daher mehr um die Darstellung von Menschen, die er als Resultate des täglichen Überlebenskampfes zeigen wolle: „Es ist ein unglaublicher Kampf, überhaupt zu überleben, und diese Kämpfe will ich in einem Gesicht sehen, weil sie jeder Mensch führt, ob schön oder nicht schön.“[15]

Im Juli 2009 wurde Armin Mueller-Stahl in den Hochschulrat der Hochschule für Musik und Theater Rostock gewählt.[16] Außerdem gehört er seit der Gründung dem Kuratorium der Freya von Moltke-Stiftung an, die sich unter anderem dem kulturellen Austausch mit Polen widmet.[17]

Im Herbst 2010 wiederholte er als Sänger mit Günther Fischer, einem früheren Filmmusiker der DEFA, eine Aufnahme von Liedern, die er vor über vierzig Jahren in der DDR komponiert und im Fernsehen vorgetragen hatte.[18] Armin Mueller-Stahl und Gabriele Scholz, 2013

Familie

In erster Ehe war Armin Mueller-Stahl mit der Schauspielkollegin Monika Gabriel verheiratet.[19] Seit 1973 ist er in zweiter Ehe mit der Hautärztin Gabriele Scholz verheiratet[6] und hat mit ihr den Sohn Christian (* 1974), der in seinen frühen Jahren Filmrollen übernahm.[20][21] 1992 trat er mit seinem Vater als 18-jähriger Baron Kaspar Joachim von Utz in Bruce Chatwins Romanverfilmung Utz auf.[22] Heute ist er als Arzt tätig.[2] Armin Mueller-Stahls älterer Bruder Hagen Mueller-Stahl (* 1926)[23] arbeitet als Regisseur und gelegentlich als Filmschauspieler, seine Schwester Dietlind (* 1938)[24] ist eine Schauspielkollegin, die ebenso lange Zeit am Berliner Ensemble tätig war.[24] Gemeinsam mit ihrem Bruder trat Dietlind Stahl 1960 in zwei frühen Filmen auf (Flucht aus der Hölle,[25] Fünf Patronenhülsen). Armin Mueller-Stahl wohnt abwechselnd an der kalifornischen Küste (Pacific Palisades), an der Ostsee (Sierksdorf) und in Berlin. Im Dezember 2011 besuchte er zum ersten Mal seit 1938 seine Heimatstadt Tilsit, die heute russisch ist und Sowetsk heißt. Dort wurde er 2011 zum Ehrenbürger ernannt.


Wohnadresse um 1960: Grünberger Straße 51 in Berlin


Text: Wikipedia

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