Staatstheater Kassel

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Das Staatstheater Kassel ist ein staatlich getragenes Dreispartentheater mit Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Kinder- und Jugendtheater sowie Konzertbetrieb. Der Bau aus den Jahren 1955 bis 1959, ausgeführt nach den Plänen der Architekten Paul Bode und Ernst Brundig, ersetzte den 1943 zerstörten Vorgängerbau, das Hoftheater, auch Preußisches Staatstheater genannt. Der Theaterkomplex umfasst einen umbauten Raum von 92.000 m³, der sich aus dem Großen und dem Kleinen Haus zusammensetzt. Das Staatstheater befindet sich auf dem südöstlichen Teil des Friedrichsplatzes,[1] auf der Seite zur Karlsaue.

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Geschichte

Vorgängerbauten

Die Tradition Kassels als Theaterstadt lässt sich auf Landgraf Moritz (1572–1632) zurückführen. Mit dem Bau des Ottoneums 1603–1606 wurde das erste feststehende Theatergebäude Deutschlands errichtet. Benannt nach Landgraf Moritz’ Lieblingssohn, gilt es als eines der ältesten seiner Art nördlich der Alpen. Für seine Ausführung waren Baumeister Adam Müller, Zeug- und Bauobrist Hans Heinrich von Siegerordt, sowie der landgräfliche Leibarzt Hermann Wolff und die Steinmetzwerkstatt Wilhelm Vernukens verantwortlich. 1696 wurde es unter Landgraf Karl zum Kunsthaus umgebaut, was durch Paul du Ry geschah. Die Nutzung des Ottoneums beschränkte sich seit 1884 auf die Ausstellung von naturkundlichen Exponaten. Es fügt sich, als Zeuge und Spiegel für die Theatertradition Kassels, in das Stadtbild unweit des einstigen und des heutigen Staatstheater.[2]

An der Königsstraße entstand 1765–1769 nach Plänen und unter Leitung von Simon Louis du Ry das landgräfliche (später kurfürstliche) Opernhaus. Dort feierte unter anderem der Komponist und Dirigent Louis Spohr (1784–1859) Erfolge; ein ihm gewidmetes Denkmal auf dem Opernplatz erinnert an die glorreiche Zeit des Opernhauses.

Unter Kaiser Wilhelm II. entstand in den Jahren 1907–1909 nach den Entwürfen von Anton Karst und Hans Fanghänel ein kompletter Theaterneubau. Das (Neue) Königliche Hoftheater, nach 1918 Preußisches Staatstheater Kassel, wurde an der Südostseite des Friedrichsplatzes errichtet. Der neobarocke Bau mit Fassaden aus weißem Sandstein verfügte mit 1425 Sitzplätzen über einen der größten Zuschauerräume Deutschlands.[3][4] Es stand auf der Längsachse des Friedrichsplatzes und schloss diesen mittig zur Aue ab, jedoch[2] negierte das Gebäude den städtebaulichen Grundgedanken des Friedrichsplatzes, indem es die zur Landschaft geöffnete Seite des Platzes verstellte.[4] Zugleich musste das historische Aue-Tor für die Bauzeit abgetragen werden; es bildete nach Fertigstellung des Gebäudes das Kriegerdenkmal auf dem Platz.

Bei dem Luftangriff auf Kassel am 22. Oktober 1943 während des Zweiten Weltkriegs wurde das Theater schwer beschädigt und fiel danach dem Verfall durch Leerstand und Entnahme von wiederverwendbaren Elementen und Materialien zum Opfer.[5] 1953 wurde die Ruine abgebrochen.

Neubau: Architekturwettbewerb

Die Zerstörungen waren so groß, dass das Land Hessen den Abriss der Kriegsruine entschied und an dessen Stelle einen Neubau plante. Diesem Abriss gingen zahlreiche Proteste der Kasseler Bevölkerung voraus, obwohl es sich um einen relativ jungen Bau des damals verpönten Historismus handelte. Aber auf Grund der massiven Zerstörungen von Gebäude und Bühnentechnik, dem schlechten baulichen Zustand nach den Luftangriffen die eine Verwendung der Fundamente nicht in Frage kommen ließ, sowie der unwirtschaftlichen Größe des Gebäudes und den wachsenden Anforderungen an ein Theater, erlaubten die Weiternutzung nicht. So kam das Land Hessen 1951 zu dem Entschluss, einen Architekturwettbewerb auszuschreiben. Diesen Wettbewerb gewann 1952 die Arbeitsgemeinschaft Hans Scharoun/ Hermann Mattern/ Willem Huller. Sie setzten sich gegen die 2. Platzierten Architekten Bartels und Schweitzer (Braunschweig), die 3. Platzierten Becker und Stübing (Hamburg) und den 4. Platzierten Fritz Bornemann (Berlin) durch. Von Architekt Paul Bode, der ebenfalls am Wettbewerb teilgenommen hat und später eine wichtige Rolle bei der Errichtung des Neubaus einnehmen wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede.

Die Pläne und Entwürfe waren der Öffentlichkeit ab Oktober 1952, im Kasseler Ballhaus zugänglich.[6] Die Wettbewerbsjury lobte Scharouns Entwurf, für die ausgezeichnete Erfüllung der Anforderungen und die „neuartige freie Form, die zum Zeitgeist passte“.[7] Man hoffe von Seiten des Kulturministeriums auf „eine Attraktion für Kassel wie auch für die gesamte Theaterwelt“.[8] Besonderen Vorzug erhielt der Entwurf durch seine städtebaulichen Maßnahmen und Scharouns Idee einer Umlegung der Frankfurter Straße, sodass diese zwischen Ottoneum und dem Neubau des Staatstheaters entlang läuft. Scharouns Erläuterung zu dieser Entscheidung baut sich auf der Aussage auf, dass für ihn das Ottoneum zum alten Teil der Stadt gehört und nicht durch eine Straße vom alten Stadtkern getrennt werden dürfte. Auch plante er eine Fußgängerbrücke über die Frankfurter Straße hinweg, auf das Plateau des Theaters. Aber er machte sich keinesfalls nur Gedanken zur Einbettung des Theaters in das Stadtbild Kassels und die Anschauung der Bevölkerung, sondern auch um die Personen, für die das Theater als Arbeitsstätte dienen sollte. So wurde auch seine moderne Bühnenkonzeption gelobt, wofür er mit dem Theaterbühnenfachmann Willem Huller zusammenarbeitete. Das Publikum sollte seiner Auffassung nach fast auf der Bühne sitzen können, was räumlich als Arena zu verstehen war. Doch die Meinungen der Kasseler Bürger und auch des Kasseler Theateraufbauvereins waren eher negativ. Die Kritik kam vom Empfinden, der Entwurf sei zu ungewöhnlich und der immer noch bestehenden Hoffnung auf einen Wiederaufbau der Theaterruine. Man konnte und wollte ihn allem Augenschein nach nicht akzeptieren.[9]

Planung und Baubeginn unter Scharoun & Mattern (1951–1954)

Der Lageplan von 1952 der Architekten für das zu bebauende Grundstück sah als Bauplatz das alte Grundstück des Theaters und eine große Fläche nordöstlich davon vor. Jedoch stellte man bei den Gründungsarbeiten im Dezember 1954 Baugrundprobleme fest. Der Presse war zu dieser Zeit zu entnehmen, dass man auf Teile der Stadtmauer, der sogenannten Kasematten der alten Wehranlage gestoßen sei. Den schwierigen Bodenverhältnissen zum Trotz, legte man am 15. Oktober 1954 den Grundstein zum Neubau. Doch Anfang Dezember des gleichen Jahres wurden die Probleme bei den Ausschachtungs- und Fundamentierungsarbeiten offensichtlich. Man stellte fest, wie es in den Festschriften von 1959 und 1999 heißt, dass „das Projekt nicht im Rahmen der vorhergesehenen Termine und finanziellen Grenzen lag“.[10] Mitte Dezember stellte die Landesregierung die Bauarbeiten komplett ein. Im Jahr 1955 erklärte man den „Scharoun-Entwurf“ für unausführbar.

Die Architekturgemeinschaft wurde von ihren Verpflichtungen entbunden und man beauftragte den Kasseler Architekten Paul Bode. Auch Bode hatte seine Entwürfe bei dem Wettbewerb eingereicht, jedoch kam er nicht in die nähere Auswahl, bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Scharounsche Entwurf als nicht realisierbar eingestuft wurde. So bekam er in den Februartagen des Jahres 1955 von der Oberbaudirektion den Auftrag, die Möglichkeiten eines Theaterbaus an dem vorgesehenen Bauplatz zu untersuchen. Er nahm den Auftrag an und unterwarf sich dem „Schweigegebot“ das ihm auferlegt wurde. Man sagte ihm, die Beauftragung der Architekten Scharoun und Mattern sei so gut wie hinfällig. Bis Ende April 1955 wusste niemand von dem „Geheimauftrag“ an Paul Bode, der ein Alternativ-Projekt entwickeln sollte, das mit den veranschlagten Baukosten auskommt. Paul Bode plante unter der Mitarbeit von Ernst Brundig seinen ‚Neubau’ auf den Fundamenten von Scharoun, mit einer noch größeren Nähe zum Ottoneum und zum Friedrichsplatz, um einen harmonischen Platzabschluss zu ermöglichen. Am 24. April 1955 gab der Kasseler Oberbürgermeister Lauritz Lauritzen bekannt, dass sich das Land Hessen offiziell von Scharoun und Mattern verabschiedet habe und Paul Bode und Ernst Brundig nun als Architekten für dieses Projekt eingesetzt werden.

Neubau unter Bode & Brundig (ab 1955 bis 1959)

Die beiden Architekten errichteten einen Neubau, der sich deutlich von ihrem Wettbewerbsentwurf 1952 unterschied, denn es wurden die Pläne von Scharouns Sieger-Entwurf übernommen, deutlich erkennbar an den ‚organischen’ Formen, wie wir sie aus Scharouns Entwurf entnehmen können. Deutlich erkennbar ist dies an dem aus kubischen Körpern gebildeten Mitteltrakt, der auf einem Rechteckgrundriss steht und konvexe und konkave Formen aufweist.[11] Zu Beginn der Bauarbeiten veranschlagte man eine Summe von etwa 4 Millionen D-Mark. Zwar kalkulierte man unvorhersehbare Dinge in die Veranschlagung mit ein, doch ahnte keiner der Verantwortlichen, was noch auf sie zukommen sollte. Und obwohl Paul Bode die Anweisung hatte, die Baukosten so gering wie möglich zu halten, beliefen sich diese am Ende auf 20 Millionen D-Mark.

Wegen seiner Krankheit war es Paul Bode schon seit November 1956 kaum noch möglich an den Bauarbeiten teilzunehmen.[12] Am 12. September 1959 wurde das Kasseler Staatstheater vom Hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn feierlich eingeweiht. Dieser Theaterbau sollte Bodes erster und einziger bleiben.[10]

Historische Überlieferung

Die überlieferten Dokumenten des Staatstheaters Kassel werden im Hessischen Staatsarchiv Marburg aufbewahrt. Der Bestand Staatstheater Kassel (159), der eine Laufzeit von 1814 bis 1968 hat und knapp 30 lfd. Regalmeter umfasst, gibt fast lückenlos Auskunft über die künstlerischen Aktivitäten auf der Bühne und die Infrastruktur hinter der Bühne. Er enthält Akten zu den Vorstellungen, zum Repertoire, zu den Gastspielen, zum Garderobe-, Kostüm- und Dekorationswesen sowie zum Finanz- und Rechnungswesen. Ein Großteil der Materialien sind Personalakten der am Theater tätig gewesenen Künstler aus den Bereichen Schauspiel, Oper, Chor, Orchester und Ballett, darunter auch einige bekannte Persönlichkeiten wie der österreichische Komponist Gustav Mahler. Die zum Teil mit Fotografien, Presserezensionen und Referenzen bestückten Akten gewähren einen Einblick in das Wirken der Ensemblemitglieder und den Theaterbetrieb insgesamt. Gleichzeitig beleuchtet der Bestand aber auch die Zeit des Nationalsozialismus in der Kasseler Theatergeschichte von 1933 bis zum Kriegsende, in der die jüdischen Beschäftigten und Parteigegner entlassen und verfolgt wurden.[20] Die Unterlagen sind vollständig erschlossen und über die Datenbank der hessischen Staatsarchive HADIS online recherchierbar.[21]


Text: Wikipedia

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