Rathaus St. Johann

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Siegelmarke der Stadtverwaltung
Alte Ansichtskarte vom Rathaus

Das Rathaus St. Johann ist das Rathaus der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken. Es wurde als Rathaus von St. Johann in den Jahren 1897 bis 1900 nach den Entwürfen von Georg von Hauberrisser erbaut, der unter anderem auch das Neue Rathaus in München gestaltete.


Baugeschichte - Vorplanungen im Rahmen der Stadtentwicklung - Demographische und wirtschaftliche Entwicklung

Das ehemalige Rathaus von St. Johann und heutige Rathaus der Stadt Saarbrücken entstand auf einem nordwestlich des historischen Stadtzentrums gelegenen Gebiet, dessen Bebauung erst zwischen 1880 und 1900 einsetzte. In dieser Zeit kam es in der Stadt St. Johann zu einer ökonomischen und demographischen Expansion. Die Einwohnerzahl St. Johanns konnte sich zwischen 1875 (10.940 Einwohner) und 1900 (21.266) nahezu verdoppeln. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte die Einwohnerzahl noch bei 2.099 gelegen. Seit den 1860er Jahren konnte St. Johann die Schwesterstadt Saarbrücken an Einwohnern überflügeln.

Auch die zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch kleinen Nachbardörfer Malstatt (1802: 450 Einwohner) und Burbach (1802: 269 Einwohner) wuchsen in den Jahren nach der Reichsgründung 1871 enorm an. Im Jahr 1875 verzeichneten beide Gemeinden zusammen 12.487 Einwohner. Mit der Gründung der Burbacher Hütte (1856) und anderer weiterverarbeitenden Eisenindustriebetriebe wurde das Gebiet im Norden und Nordwesten St. Johanns zum rasch wachsenden Wohngebiet der dort beschäftigten Arbeiter.

Zur Jahrhundertwende 1900 war aus den beiden kleinen Nachbardörfern St. Johanns eine Stadt mit 31.195 Einwohnern geworden (Stadterhebung Malstatt-Burbachs 1875). Ab 1850 hatten zudem der Bau der Eisenbahn (ab 1849) und des Saarkohlenkanals (1866) sowie die Einführung des modernen Schachtbaues in der Steinkohlengewinnung zu einem nie dagewesenen Wirtschaftsboom der saarländischen Wirtschaft und Industrie geführt. Wegen günstiger kommunaler Besteuerung kam es zur Ansiedlung von zahlreichen Industrie- und Handelsbetrieben. Gleichzeitig entstanden zahlreiche öffentliche Bauten, wie die Eisenbahndirektion, die Stadtpost, ein Elektrizitätswerk, die Bergwerksdirektion, ein Schlachthaus, der Volksgarten und das Hallenbad.

Diese urbanistische Entwicklung war bereits im Jahr 1852 durch den Bahnhofsbau etwa einen Kilometer westlich des alten Stadtzentrums eingeleitet worden.


Stadtplanungen und verwaltungstechnische Voraussetzungen

Infolgedessen lag der Fokus der baulichen Unternehmungen primär auf dem westlichen Teil der Stadterweiterung im Bereich der heutigen Bahnhofstraße. Im Jahre 1861 erstellte der St. Johanner Bauinspektor Seyfarth einen ersten Bebauungsplan, um nun auch das östliche und nördliche Terrain der Stadterweiterung zu strukturieren. Seyfarth plante ein Straßenraster zum Zwecke des Erhalts möglichst gleichförmiger, gut vermarktbarer Grundstücke. Vom Bahnhofsvorplatz sollte eine Straßenachse (etwa heutige Kaiser- und Großherzog-Friedrich-Straße) ausgehen, die sich an zwei Punkten zu größeren Plätzen ausweitete. Einer dieser geplanten Plätze war vermutlich als Standort eines neuen Rathauses für St. Johann gedacht.

Ausgangspunkt der Situation St. Johanns war die Tatsache, dass im Zweiten Pariser Frieden im Definitiv-Tractat vom 20. November 1815 von König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Kaiser Franz I. von Österreich und Zar Alexander I. von Russland die Angliederung St. Johanns und Saarbrückens an das Königreich Preußen bestimmt worden war. Dabei blieb die französische Kommunalverfassung bestehen, die die Gemeinden St. Johann, Saarbrücken, Burbach, Malstatt, Rußhütte und Brebach zu einer Bürgermeisterei mit Sitz in Saarbrücken verwaltungstechnisch zusammengefasst hatte. Das aufstrebende St. Johann versuchte sich bald aus diesem engen Verwaltungskorsett zu befreien.

Im Jahr 1859 war es St. Johann, bestätigt durch königlich-preußische Kabinettsorder vom 3. Mai, endlich gelungen, sich verwaltungstechnisch von Saarbrücken zu trennen und zur selbständigen Gemeinde zu werden. Seitdem diente das St. Johanner Schulhaus in der Kronenstraße (heute nach Kriegszerstörung Brunnenanlage vor der alten evangelischen Kirche St. Johann) auch als provisorisches Rathaus.

Dieses Provisorium und auch die Anmietung weiterer Räume konnte auf lange Sicht die vielfältigen neuen Verwaltungsaufgaben der aufstrebenden Stadt nicht bewältigen und der Ruf nach einem zentralen Gebäude wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer lauter. Das neu zu errichtende Rathausgebäude sollte zwar in erster Linie den gestiegenen Anforderungen der Stadtadministration Rechnung tragen, aber auch das Repräsentationsbedürfnis der aufstrebenden Kaufmannsstadt befriedigen, wie es in der Festschrift zur Einweihung des neuen Rathauses dann auch formuliert wurde: „denn die Bürgerschaft einer Stadt hat einzig und allein in ihrem Rathaus eine unpersönliche Repräsentation ihres Seins und Wollens.“

Allerdings belegt ein Bestandsplan des St. Johanner Feldvermessers Müser vom Januar 1880, dass die Planung Seyfarths von 1861 der Realität der baulichen Entwicklung der Stadterweiterung nicht entsprach. Außerhalb des Umfeldes der Bahnhofstraße war es bis zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht zum projektierten städtebaulichen Wachstum gekommen. Bisher hatten sich nur an den alten Ausfallstraßen (Dudweilerstraße, Nauwieser Straße, Mainzer Straße) neue Bebauungen gebildet, da Seyfarths Bebauungsplan jegliche Rechtsverbindlichkeit fehlte.

In dieser misslichen Situation berief die St. Johanner Stadtverwaltung im März 1888 den bekannten deutschen Stadtplaner und Kölner Stadtbaumeister Josef Stübben zur Erstellung eines urbanen Entwicklungsplanes. Als Stübben aufgrund von Überlastung den St. Johanner Auftrag zurückwies, konnte man den Mainzer Stadtbaumeister Eduard Kreyßig gewinnen, der bereits die gründerzeitliche Mainzer und Straßburger Stadterweiterung mitgeplant hatte.

Eduard Kreyßig erstellte von April bis Oktober 1888 ein (archivarisch leider nicht mehr auffindbares, aber durch zeitgenössische Rezensionen rekonstruierbares) städteplanerisches Gesamtkonzept von 125 Hektar Fläche und einem projektierten Wohnraum für 25.000 Menschen für St. Johann mit einem geradlinigen Straßennetz, Ringstraßen und zentralen Plätzen mit öffentlichen Bauten. Städtebaulicher Höhepunkt dieser Stadterweiterung sollte ein von der Stadtverwaltung bereits erworbener, zentraler Platz nördlich des alten St. Johanner Marktes sein, der für den Bau eines neuen Rathauses vorgesehen war.

Auf dieses projektierte Rathaus sollte laut Kreyßigs Plänen eine 20 Meter breite Nordstraße (heutige Johannisstraße) zulaufen. Allerdings wurden Kreyßigs Pläne diesbezüglich nicht umgesetzt. Stattdessen wurde die heutige Johannisstraße nach Osten verschoben und verschmälert, um Platz für den Bau der evangelischen Johanniskirche zu gewinnen, deren Turm auf die Achse der Kaiserstraße ausgerichtet werden sollte.

Diese Planveränderung wurde bereits 1890 im Planungskonzept des Stadtbaumeisters Tormin eingezeichnet. Ebenso zeichnete Tormin an der Südseite des Platzes das projektierte St. Johanner Rathaus mit einem vortretenden, etwas nach rechts verschobenen Mittelrisaliten ein, was eine Reaktion auf die Verschiebung der Johannisstraße war. Immer noch plante man also das neue St. Johanner Rathaus als Point-de-vue einer großen Straßenachse.


Planänderung nach den Prinzipien des „malerischen Städtebaues“

Die oben beschriebene Planänderung der Konzeption Kreyßigs fällt just in eine Zeit des städtebaulichen Paradigmenwechsels und ist ganz offensichtlich durch diesen begründet: Kreyßigs städtebauliche Vorstellungen zur Stadterweiterung St. Johanns waren durch die Publikationen des Städteplaners Camillo Sitte (1843–1903), die zu den bedeutendsten praktischen Lehrbüchern des europäischen Städteplanung gehören (besonders 1889, Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen), buchstäblich vom Tisch gefegt worden. Statt geometrisch gezirkelter, am Reißbrett entstandener, urbaner Planungen sollten Städte nun nach den Prinzipien des „malerischen Städtebaues“ mit dem Vorbild historischer Stadtbilder entstehen.

Ganz nach Sittes empfohlenen Vorbildern der Platzgruppen mit Kirche und Palast wie zum Beispiel in Modena und Perugia wurde nun der St. Johanner Rathausplatz mit asymmetrischer Stellung von Kirchplatzbereich und Rathausplatzbereich sowie einheitlicher neogotischer Stilwahl und Sandstein als Baumaterial gestaltet. Rathausfassade und seitliche Kirchenfassade sollten in einer weiten Diagonalen formal aufeinander bezogen sein.

Der 74 m hohe Turm der Johanneskirche, der mit dem Turm des Rathauses korrespondiert, enthielt vier Glocken, die aus erbeutetem französischem Kanonenerz des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 gegossen worden waren. Sie wurden nach dem Kaiser, der Kaiserin, Reichskanzler Bismarck und dem heiligen Johannes (Stadtpatron) benannt und hatten bis zur Einrichtung des Rathausturmglockenspiels alleinige Läutefunktion am Rathausplatz. Sinnfälliger als durch die gegenseitige Bezogenheit von Rathaus und Kirche kann man das „Bündnis von Thron und Altar“ des streng monarchistischen ausgerichteten Protestantismus der Kaiserzeit schwerlich ausdrücken.

Zur Ergänzung des Ensembles errichtete der Saarbrücker Architekt Gustav Schmoll genannt Eisenwerth (1881–1916) im Jahr 1908 ein neogotisches Wohn- und Geschäftshaus mit Treppengiebel (Rathausplatz 3) nach dem Vorbild des Römers in Frankfurt am Main (Römer (Frankfurt am Main)).

Direkt im Anschluss daran (Rathausplatz 4–6) hatte bereits der Architekt Wilhelm Noll, der am St. Johanner Rathausbau als Bauleiter fungierte, im Jahre 1902 eine Häusergruppe mit Erkertürmen und reichen Maßwerkbalkonen (Neogotik / Neorenaissance / Jugendstiltüren und -giebel) errichtet.

Die St. Johanner Platzgruppe ist somit eine direkte Reaktion auf die städtebaulichen Prinzipien Camillo Sittes und stellt ein baukünstlerisch bedeutendes Beispiel dieser Phase des europäischen Städtebaus dar.

Allerdings wurde die ursprünglich geplante weitgehende Geschlossenheit des Rathausplatzes durch den Durchbruch der Großherzog-Friedrich-Straße zum Rathausplatz empfindlich gestört. Erst durch den Bau der Stadtsparkasse (Rathausplatz 9) durch Walther Kruspe (Staffelgeschoss von 1962) in den 1920er Jahren (1928–29) konnte das Aufreißen der östlichen Platzfront wieder optisch minimiert werden.

Im Jahr 1873 hatte man bereits einen sogenannten Rathaus-Sammelfond ins Leben gerufen, der finanziell von Angehörigen der städtischen Oberschicht und kommunalen Geldanlagen bei den örtlichen Privatbanken Kiessel, Lazard und Schlachter getragen wurde, allerdings verhinderte der als Gründerkrach bezeichnete Börsenzusammenbruch des Jahres 1873 und die nachfolgende wirtschaftliche und finanzielle Depressionsphase ein schnelles Fortschreiten der Planungen zum Neubau des St. Johanner Rathauses. Der Krise vorausgegangen war eine ökonomische Konjunkturüberhitzung, die von mehreren Faktoren begünstigt worden war – im neugegründeten Deutschen Reich vor allem durch die Euphorie hinsichtlich des gewonnenen Krieges gegen Frankreich 1870/71, die daraus erworbenen Reparationszahlungen Frankreichs in Höhe von etwa fünf Milliarden Francs und die Zusammenlegung der deutschen Staaten und Hansestädte ohne Österreich und Luxemburg durch die Reichsgründung.


Planung

Erst in den 1890er Jahren war das finanzielle Fundament für den Rathausneubau gegeben, sodass am 11. Mai 1896 der Bau- und Straßenausschuss bezüglich eines möglichen Rathausneubaus folgende Punkte beschloss:

Planung des neuen Rathauses mit mindestens doppelt so großer Fläche wie die, die der Stadtverwaltung bisher zur Verfügung steht. Die dreifache Fläche wäre anzustreben.

Der Neubau darf keinen (fensterlosen) Mittelkorridor haben.

Der Sitzungssaal soll eine Fläche von 150 qm haben und an hervorragender Stelle positioniert sein.

Die Kosten für den Rathausneubau belaufen sich auf 400.000 Mark.

Es erfolgt keine Ausschreibung. Das Bauamt tritt mit einem erprobten Architekten und Fachmann in Verbindung.


Daraufhin verabschiedete am 15. Mai 1896 der St. Johanner Stadtrat unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Paul Neff einen Beschluss zum Neubau eines großen Verwaltungs- und Repräsentationsgebäudes:

Der Rathausneubau hat die dreifache Fläche, die der Stadtverwaltung bisher zur Verfügung steht.

Eine Wohnung für den Bürgermeister ist einzuplanen.

Zur Erstellung eines Vorprojektes werden 1000 Mark und die anfallenden Reisekosten für den Architekten zur Verfügung gestellt.

Der Auftrag geht an Professor Hauberrisser in München.


Beauftragung Georg von Hauberrissers

Die Tatsache, dass der Auftrag zum Rathausneubau ohne Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs an den bekannten Münchner Architekten Georg von Hauberrisser vergeben worden war, stellte auch für die damalige Zeit eine Besonderheit dar und sprach für die Bekanntheit Hauberrissers.

Als Referenz dienten die Rathäuser von München (1867–1909), Wiesbaden (1884–1890) und Kaufbeuren im Allgäu (1879–1887), die nach seinen Plänen errichtet wurden. Die Rathäuser von Landsberg am Lech, Landshut und Ulm waren durch ihn erweitert bzw. restauriert worden.

Im Saarland baute Hauberrisser noch zwei weitere Gebäude: Im Jahr 1903 das Gut Junkerwald in Niederwürzbach für den königlich-bayerischen Hofrat Dr. Karl Ehrhardt (nach Brandzerstörung 1955 in ursprünglichen Form wieder aufgebaut), sowie in St. Johann die Villa Rexroth in der Schillerstraße 13 (heute Bismarckstraße). Heute befindet sich hier die Moderne Galerie. Im Volksmund wurde das Gebäude „Weißes Haus“ genannt, als es 1947–1955 Amtssitz des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann war. Das Gebäude wurde 1965 abgerissen.

Vermutlich spielte bei der Auftragsvergabe des Rathausneubaues an Georg von Hauberrisser dessen direkte Bekanntschaft mit dem St. Johanner Stadtverordneten und Regierungsbaumeister Wilhelm Franz eine Rolle, der Hauberrissers architektonische Fähigkeiten bereits beim Bau des neuen Rathauses in Wiesbaden kennengelernt hatte.

So schreibt Wilhelm Franz, der in Wiesbaden zuerst Referendar (1893), dann ab 1894 Abteilungsleiter im Stadtbauamt gewesen war, in einem Brief an Bürgermeister Neff vom 26. September 1906:

„Als wir den Vertrag schlossen, kannte ich Herrn Hauberisser als tüchtigen Künstler und wußte im besonderen aus der Geschäftsführung beim Wiesbadener Rathaus, daß er in seinen Honorarforderungen bescheiden sein würde. Das habe ich zu unseren Gunsten ausgenutzt.“

Der aus Graz in der Steiermark stammende Architekt willigte, da die dritte Bauphase des Münchner Rathauses am Marienplatz, an der Wein- und Landschaftsstraße (errichtet 1898–1905), noch nicht begonnen hatte, in die Beauftragung ein. Hauberrisser besichtigte noch Ende Juni (28./29.) 1896 die Stadt St. Johann und den projektierten Bauplatz.

Nach Unterredungen mit einigen Abgeordneten und Stadtbaudirektor Wilhelm Franz entschloss man sich, einige Vorbestimmungen des St. Johanner Stadtrates abzuändern. Nun entschied man sich für die Schräglegung der Fassade an der Betzenstraße, verzichtete auf eine vorgesehene Dienstwohnung für den Bürgermeister und bestimmte, dass in einem „Zukunftsprojekt“ von vornherein eine mögliche Erweiterung des Rathauses geplant werden sollte.

Hauberrisser, der nach Art mittelalterlicher Baumeister sämtliche Entwürfe selbst zeichnete und in seiner ganzen Karriere nie ein Baubüro beschäftigte, schickte bereits zwei Wochen später (14. Juli 1896) einen fertigen Vorentwurf im neogotischen Stil an Bürgermeister Neff. Der Vorentwurf sah eine Neubaugesamtfläche von 864 m2 vor.

Am 30. Juli 1896 beschloss die St. Johanner Stadtverordnetenversammlung, das Vorprojekt Hauberrissers anzunehmen, und kurze Zeit darauf wurde am 3. September 1896 durch den Stadtbaumeister Franz der Vertrag mit Hauberrisser abgeschlossen. In mehreren Paragraphen wurden die Vertragsinhalte formuliert:

Hauberrisser obliegt als Architekt die künstlerische Leitung des Baues in allen Einzelheiten.

Das Stadtbauamt St. Johann unter Stadtbaumeister Franz übt die technische Bauleitung und Ausführung aus.

Die statischen Berechnungen werden durch die städtischen Baubehörden erstellt. Hauberrisser übernimmt jedoch dazu die Verantwortung.

Baubeginn ist der 1. März 1897.

Die Honorarangelegenheiten werden nach der bestehenden Hamburger Norm für Architekten als Grundlage geregelt.

Eventuelle Streitigkeiten zwischen der Stadt St. Johann und dem Architekten Hauberrisser sind außerhalb des Rechtsweges durch ein Schiedsgericht zu klären. Konventionalstrafen können unter bestimmten Voraussetzungen verhängt werden.


Neospätgotische Gestaltung

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die bis dahin annähernd kontinuierliche Stilentwicklung in der Architektur abgebrochen. Politische Wirren wie die Französische Revolution und die kriegerische Herrschaft Napoleons sowie die sozioökonomischen Veränderungen durch die Industrialisierung beförderten die Idee des Nationalismus und die Rückbesinnung auf nationale Spezifika. Die Entdeckung der Baukunst des Mittelalters durch Kunstgeschichte und Denkmalpflege verband sich mit einem romantischen, sehnsuchtsvollen Gefühl nach der mittelalterlichen Epoche als einer Zeit, in der Kirche und Staat mächtig und würdevoll erschienen.

Der badische Architekt und Architekturtheoretiker Heinrich Hübsch hatte bereits im Jahr 1828 in seiner architekturtheoretischen Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ mit der klassizistischen Baukunst des frühen 19. Jahrhunderts gebrochen. Zwar war sich Hübsch, als er die Frage „In welchem Style sollen wir bauen?“ stellte, sicher, dass der moderne Rundbogenstil die Option schlechthin sei. Trotzdem fasst seine Frage das Problem eindeutig in Worte, das mit dem 19. Jahrhundert erstmals in der Kunstgeschichte auftrat.

In dem Augenblick, da die Frage gestellt wurde, erhielt sie einen immer weiteren Inhalt, und es wurde immer schwieriger sie eindeutig zu beantworten. Die Epoche des Historismus, der den Klassizismus des frühen 19. Jahrhunderts als kalt und dürftig bewertet, machte Anleihen bei allen Epochen der abendländischen Kunst und bediente sich, um so älter das Jahrhundert wurde, einer immer üppigeren Formensprache. Bis heute hat die Frage Hübschs keine befriedigende Antwort gefunden; allenfalls Teilantworten. Diese Teilantworte bestanden unter anderem in Konventionschemata für spezielle Bauaufgaben, die zuweilen offiziell gefordert wurden, meist aber aus einer stillschweigenden Übereinkunft der am Bau Beteiligten resultierten.

Im Bezug auf den Neubau von Rathäusern erschien es den Verantwortlichen des 19. Jahrhunderts naheliegend, auf die Formen der mittelalterlichen Gotik zurückzugreifen, da in dieser Epoche die städtische Selbstverwaltung gegen weltlichen und klerikalen Feudalismus erkämpft worden war.

Hauberrissers Rathausbau in St. Johann ist in den architektonischen Ausdrucksformen der Spätgotik entworfen. Durch das Wiederaufgreifen der Gotik und der Renaissance versuchte das Bürgertum im seit 1871 neugegründeten Deutschen Reich den Wiederanschluss an eine Epoche des 1806 untergegangenen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, die durch den Bedeutungsanstieg des Bürgertums als gesellschaftlichem Stand geprägt worden war und die die städtische Kultur in Deutschland zu einer ersten Blüte geführt hatte. Durch das historistische Aufgreifen der beiden Architekturstile feierte man eine Epoche, in der sich das Bürgertum gegen Adel und Klerus gesellschaftspolitisch, ökonomisch und administrativ durchzusetzen begann.

In einem Brief vom 14. Juli 1896, der den Entwurf begleitete, schrieb Hauberrisser: „Für die Architektur wähle ich die Gotik, als für ein deutsches Rathaus charakteristischen Stil. Dieser Stil war früher, wie an einzelnen Häusern zu ersehen, einst in St. Johann schon vorhanden. […] Ecktürmchen und Zinnen sind charakteristisch und kommen in Frankfurt, Trier, und Bacharach vor.“

Anzumerken ist allerdings, dass zu Hauberrissers Zeit St. Johann eine stark vom Barock des Architekten Friedrich Joachim Stengel (1694–1787) geprägte Stadt war und nur noch spärliche Reste gotischer Formen (z. B. Eckhaus am St. Johanner Mark Nr. 8, heute Gaststätte „Tante Maja“ oder das 1906 abgerissene gotische Haus in der Türkenstraße) aufwies. Da also in St. Johann praktisch keine „charakteristischen“ gotischen Ecktürmchen und Zinnen mehr als Vorbild vorhanden waren, bediente sich Hauberrisser beim Entwurf des St. Johanner Rathauses diesbezüglich, wie in seinem Entwurfs-Begleitbrief genannt, bei gotischen Architekturvorbildern der Großregion: Trier (z. B. Steipe, Turm von St. Gangolf), Frankfurt am Main (z. B. Römer, Steinernes Haus, Leinwandhaus) und Bacharach (z. B. Turm von St. Peter). So könnten die Kubatur-Vorbilder des Ratssaalbaues von St. Johann (allerdings ohne seinen hohen Schmuckgiebel) das Leinwandhaus bzw. das Steinerne Haus in der Frankfurter Altstadt gewesen sein. Beide Gebäude waren in den Jahren vor 1900 von der Stadt Frankfurt wegen ihrer historischen Bedeutung und einprägsamen Gestaltung aufgekauft und in den Folgejahren ebenso wie der Römer aufwändig restauriert und mit historisierenden Elementen bereichert worden.

Hauberrisser hatte den Stadtrat offensichtlich dermaßen von seinen Kompetenzen überzeugt, dass man ihm hinsichtlich der Disposition nahezu größtmögliche Freiheit ließ. Auch höhere Baukosten wurden nicht gescheut, um den gestalterischen Vorstellungen des Architekten entsprechen zu können. So bezog man etwa selbst die Dachziegel auf Wunsch Hauberrissers bei einer dem Architekten bekannten Ziegelei, dem 1876 eröffneten Tonwerk Kolbermoor im bayerischen Alpenvorland.


Bau - Grundsteinlegung

Nach den Fundamentierungsarbeiten durch das St. Johanner Bauunternehmen Dörr wurde am 22. März 1897, dem 100. Geburtstag des 1888 verstorbenen preußischen Königs und späteren Kaisers Wilhelm I., der Grundstein gelegt. Bürgermeister Neff begründete bei dieser Gelegenheit die gotische Stilwahl mit deren aufrechten, himmelstrebenden Formen, die, sich nach oben verjüngend, das Streben nach dem höchsten Ziel verdeutlichten, das nur erreicht werden könne, wenn alles Handeln der Gemeinschaft dem Nutzen des Staates diene.

Generalmajor Eduard von Pestel, von 1869–1874 Kommandeur des Ulanen-Regimentes „Großherzog Friedrich von Baden“ (Rheinisches) Nr. 7 und seit 1896 Ehrenbürger von St. Johann, formulierte in einem Glückwunschtelegramm aus Berlin anlässlich der Grundsteinlegung den durch die repräsentative Gestaltung des Rathauses dokumentierten Führungsanspruch St. Johanns unter den Städten der Region in einem euphorischen Ausspruch: „Hoch lebe die Hauptstadt der Saar, wie sie ist, sein wird und war.“


Bauverzögerungen

Hauberrisser, der an zahlreichen Großbauten gleichzeitig wirkte, kam hinsichtlich der Bauzeichnungen mehrfach in Lieferverzug. Als beim Bau des Rathauses die endgültigen Bauzeichnungen zum Turm im Spätsommer 1899 immer noch fehlten, richtete sich Stadtbaumeister Franz am 6. Oktober 1899 in einem Brief an Hauberrisser: „Hier gibt es keinen Menschen, der versteht, weshalb ein Turm, der im Frühjahr halbfertig war, nicht in einem Sommer und Herbst ganz fertig gemacht wird und durch seine Verbindung mit dem übrigen Bau die Fertigstellung aufhält.“ Daraufhin trafen am 9. November 1899 die erwarteten Pläne endlich ein.


Einweihung

Zur Einweihung des neuen St. Johanner Rathauses rief Bürgermeister Neff in einer Anzeige der St. Johanner Zeitung vom 22. Juni 1900 die Bürger der Stadt zu reger Beteiligung auf:

„Im Anschluß an die bereits in der Festordnung ausgesprochene Bitte, das Fest der Rathaus-Einweihung durch Beflaggen der Häuser zu verschönern, ersuche ich die Bürgerschaft, ihre Anteilnahme an dem vaterstädtischen Fest auch durch allgemeine Beteiligung an der Illumination zu bethätigen. Als Stunde des Beginns der Beleuchtung wird 9½ Uhr abends vorzusehen sein.“

Am 23. und 24. Juni 1900 fand die Einweihungsfeier des Rathauses statt. Allerdings fehlten noch der Figurenschmuck und die Ausgestaltung des Rathausfestsaales. Die regionalen Zeitungen (Saarbrücker Zeitung, Neue Saarbrücker Zeitung, St. Johanner Zeitung, St. Johann-Saarbrücker Volkszeitung) überboten sich gegenseitig in der Ausführlichkeit ihrer Berichterstattung und gaben teils sogar Sonderbeilagen heraus, in denen das Rathaus als „hervorragendes Kunstwerk..., das vom Wohlstand der Stadt und dem Gedeihen und Blühen derselben Zeugniß ablegt“, stolz gepriesen wurde. Die St. Johanner Kinder hatten schulfrei und ein Festzug der Vereine zog durch die mit Tannengirlanden geschmückten Straßen zum neuen Rathaus. In der 1897 vollendeten St. Johanner Turnhalle (seit 1982 Spielstätte „Alte Feuerwache“ des Saarländischen Staatstheaters) wurde ein Festbankett veranstaltet, wozu man Stühle und Tische aus der Nachbarstadt Saarbrücken hatte ausleihen müssen.


Möblierung nach Entwürfen Hauberrissers

Während die Bauarbeiten erwartungsgemäß vorangeschritten waren, hatte Hauberrisser wie bei allen seinen Bauten sämtliche Inneneinrichtungen entworfen: Bürgermeisterzimmer und Ratssaal erhielten neogotische Möbel, die übrigen Verwaltungsräume wurden im Stil der Neorenaissance ausgestattet. Allerdings strapazierte das lange Ausbleiben der benötigten Möbelentwurfszeichnungen die Geduld von Stadtbaumeister Franz. Franz beschwerte sich über Hauberrissers „fortgesetztes Hinhalten“ und schrieb in einem Brief an den Münchner Architekten am 19. März 1901:

„Es ist wirklich eine Ironie, wenn man die alten Möbel in dem neuen Haus sieht und überaus lästig, die 100 Fragen zu beantworten, weshalb die Möbel noch nicht fertig sind.“

Erst ab August 1903 trafen peu à peu die geforderten Möbelentwurfszeichnungen in St. Johann ein.


Streitigkeiten zwischen Stadt und Hauberrisser

Als im Jahr 1901 eine neue Honorarordnung für Architekten in Kraft getreten war, forderte Hauberrisser von der Stadt St. Johann ein höheres Honorar, worauf die Stadtverwaltung nicht reagierte. Daraufhin wendete sich Hauberrisser in einem Brief vom 26. Dezember 1902 direkt an Bürgermeister Neff: „Ich habe Ihnen doch `vielleicht´ das schönste Rathaus in Deutschland gebaut. Nach drei Briefen wegen meiner geringen Abschlagzahlung stehe ich in Verdacht, gegenüber meiner Leistung mehr gefordert zu haben und das muß mich kränken.“

In Reaktion auf diesen Brief versuchte die Stadtverwaltung die unangenehme Angelegenheit durch ein sogenanntes „Ehrengeschenk“ in Höhe von 10.000 Mark an den Münchner Architekten zu bereinigen. Zwar nahm Hauberrisser das Geld an, bestand aber darauf, dass der Sachverhalt mit der Gebührenordnung doch geklärt werden müsse. Als Hauberrisser mit einer Klage drohte, überwies die Stadt an Hauberrisser schlussendlich nochmals 587,17 Mark. Am 5. März 1908 anerkannte Hauberrisser die St. Johanner Abrechnung, und schloss in versöhnlichen Worten einen Brief an Bürgermeister Neff: „Diese Sache soll nun auch ruhen.“

Hauberrisser besuchte das St. Johanner Rathaus am 12./13. Februar 1903 und war über zahlreiche ausgeführte Arbeiten an seinem Bau entsetzt. In einem Brief an Bürgermeister Neff vom 9. März 1903 schreibt er:

„1. Die Schalterabschlüsse sind schauderhafte Ungetüme. – Habe dazu nie eine Zeichnung angefertigt.

2. Die Glasgemälde im Bürgermeisterzimmer – unbegreiflich, wie eine Anstalt wie Linnemann für die Eckfenster solch lichtabschließende und übergroße Ornamente liefern kann.

3. Standesamt – schauderhafte Ornamente, wie man sie vor 60 Jahren etwa gemacht hätte.

4. Unschöne Treppenhausfenster, schwer gelungene Ornamente, unschöne Farbwirkung, besonders das Blau.

5. Fenster im Stiegenhaus nicht gut, teils zu schwere Ornamente, gar nicht dahin gehörig. Nun ist gerade mit diesen Glasgemälden, die Hauptschmuck sein sollten, das Rathaus und dessen Innenräume verpfuscht. Rausreißen und Hinschmeißen wäre das richtige.“

Allerdings blieben die beanstandeten Dinge an ihrem Platz und Hauberrissers Tadel verhallte ungehört.

Als Hauberrisser im Juli 1903 eine Abschlagszahlung auf sein Honorar forderte, entgegnete die Stadtverwaltung, dass noch etliche Arbeiten ausstünden, und drängte den Architekten zu schnellerem Arbeiten. Hauberrisser wurde mitgeteilt, dass sich Kaiser Wilhelm II. zu Besuch in St. Johann angekündigt habe und bis dahin müsste das Rathaus mit der Mobiliarausstattung vollendet sein. Daraufhin schrieb Hauberrisser im Antwortbrief vom 1. August 1903 lakonisch: „Wann kommt der Kaiser und wann bekomme ich Geld?“

War der Neubau Hauberrissers zuerst auf 400.000 Mark begrenzt gewesen, so war der Kostenstand am 13. Juli 1903 bereits auf 750.000 Mark geklettert. Bei der Fertigstellung des Hauberrisserschen Neubaus dürfte die ausgegebene Bausumme etwa 800.000 Mark betragen haben.


Erweiterung, Ausbau und Zerstörung - Großstadtrathaus

Mit dem Zusammenschluss der drei Saarstädte Alt-Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach im Jahre 1909 wurde das Gebäude zum Rathaus der Großstadt Saarbrücken befördert. Mit 105.000 Einwohnern war die neugegründete Großstadt Saarbrücken damals die fünftgrößte deutsche Stadt auf dem linken Rheinufer. Sehr bald erwies sich der Hauberrisser-Bau für die Verwaltung als zu eng. Bereits Hauberrisser hatte in weiser Voraussicht eines zukünftigen administrativen Raumbedarfes ein Zukunftsmodell für das St. Johanner Rathaus entworfen: Das Gebäude sollte zu einem unregelmäßigen Vierflügelbau mit Innenhof erweitert werden. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg ging man an die Planung von Erweiterungsbauten. Im Jahr 1911 sah man einen ersten Erweiterungsflügel in der Betzenstraße vor. Im Jahr 1913 plante Stadtbaurat Julius Ammer einen Erweiterungsbau in der Kaltenbachstraße, mit dessen Fertigstellung man ab dem Jahr 1919 rechnete. Durch den Weltkrieg blieben diese Pläne unausgeführt. Fast unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges tagte die Stadtverordnetenversammlung zur Beratung eines Antrages, der als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Errichtung eines Hofflügels vorsah. Der Antrag wurde am 18. November 1919 verworfen.


Erweiterung in den 1920er Jahren

Zu Beginn der 1920er Jahre wurde das Stadtbauamt unter Leitung von Stadtbaurat Julius Ammer (1880–1946, im Amt 1912–1924/25) mit der Anfertigung von Entwürfen für eine Erweiterung beauftragt.

Am 13. Juni 1922 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Rathauserweiterung um einen Gebäudetrakt in der Kaltenbachstraße bis zur Gerberstraße mit vier Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss. Die Fassade sollte eine "reichere Ausgestaltung" erhalten und das Gebäude zwei Sitzungssäle für Kommissionen und einen neuen Ratssaal beinhalten. Für die Stadtsparkasse sollte wegen der beabsichtigten räumlichen Trennung ein eigener Bau errichtet werden.

Anders als der dreigeschossige Altbau hat der in den Jahren 1922–28 unter der Bürgermeisterschaft von Hans Neikes (Amtszeit 1921–1935) ebenfalls aus rotem Sandstein erbaute 75 m lange symmetrisch gegliederte Gebäudetrakt (Büroräume und neuer Sitzungssaal mit seitlichen Emporen) vier Stockwerke. Nach den Vorstellungen der Stadtbaurates Kruspe aus dem Jahre 1925 sollte eine fünfeckige Anlage entstehen: "Diese behält ihre Hauptfront am Rathausplatz und liegt weiter an der Kaltenbachstraße, der Gerberstraße, dem durchzubrechenden Betzengässchen und der Betzenstraße. Durch einen Hofflügel wird der umschlossene Hofraum in zwei große Höfe geteilt, von denen der eine wiederum durch den eingeschossigen Zwischenbau der neuen Stadthauptkasse in zwei Teile zerlegt wird. (...) An der Einmündung des Betzengässchens in die Gerberstraße - von der Bahnhofsstraße aus sichtbar und durch besondere Architektur betont - liegt eine Eingangshalle, an die sich strahlenförmig die Gänge der einzelnen Gebäudetrakte anschließen." Der alte Ratssaal diente fortan nur noch zu Repräsentationszwecken. (Aus Platzgründen finden heute Stadtratssitzungen in der Kongresshalle statt.) Der neue Gebäudeflügel verfügt über einen mächtigen Mittelrisaliten sowie polygonale Erker und interpretiert die neogotischen Schmuckformen Hauberrissers im expressionistischen Stil seiner Zeit um. Der fünfachsige, symmetrische Mittelrisalit, dessen mittlere drei Achsen breiter als die sie begleitenden äußeren Achsen ist, ist in seinem Giebel mit zwei allegorischen Frauenstatuen in kristallinen Formen geschmückt. Die kunstvoll geschmiedeten Maueranker bilden die Jahreszahl „1923“.

Der Mittelrisalit ist durch ein hoch aufragendes Pfeilersystem ohne Unterbrechungen gestaltet. Die Wandpfeiler werden durch kelchförmige Kapitelle abgeschlossen. Die dazwischen liegenden schlanken Streben finden ihren Abschluss in geometrisch abstrahierten, blütenartigen Friesbandmustern. Die schmalen Flächen zwischen Pfeilern und Streben werden von hochrechteckigen Sprossenfenstern gefüllt. Im dritten Obergeschoss weisen die Fenster Brüstungsfelder auf, die die Motive von der Kapitelle und der Friesbänder aufnehmen.

Die den Mittelrisalit flankierenden, auf Konsolen ruhenden, polygonalen Erkertürme von Julius Ammer scheinen in ihrer Gestaltung deutlich von den beiden, aus dem 13. Jahrhundert stammenden, Heidentürmen des Wiener Stephansdomes inspiriert zu sein. Den oberen Teil der Türme bilden kleine Dreiecksgiebel, die sich über einem Friesband erheben.

Die Sockelzone umfasst Keller und Erdgeschoss. In seiner Mitte vertieft sich ein Eingangstor, das von Säulenstümpfen akzentuiert wird. Die Säulen sind mit plastischen Rautenmustern geschmückt und tragen zwei männliche Figuren: Einen Flötenspieler mit einem Raben und einen sich mit einem Umhang verhüllenden Krieger mit einem Ritterhelm zu dessen Füßen ein Hund kauert.

Das innere des Erweiterungsbaues zeigt expressive gotische Formen, die den Stil Hauberrissers in moderneren Formen weiterentwickeln.

Portraits der Ehrenbürger der Stadt Saarbrücken zieren die Wände der Flure.


Erweiterung in den 1930er Jahren

Da in den 1930er Jahren wiederum zusätzlicher Platzbedarf bei der Stadtverwaltung herrschte, übernahm der städtische Oberbaurat Walther Kruspe (im Amt 1924–1939) die Bauleitung für eine zweite Erweiterung. Diese Erweiterung in der Gerberstraße wurde durch Mittel aus dem NS-Arbeitsbeschaffungsprogramm „Brot für den Arbeiter“ finanziert. Der ebenfalls in rötlichem Sandstein errichtete viergeschossige Bau entbehrt außer einer Arkadenhalle im Erdgeschoss praktisch aller architektonischen Zierrate und wurde am 27. Juni 1937 durch Bürgermeister Ernst Dürrfeld (Amtszeit: 1935–1937) eingeweiht.

Die Pläne aus dem Jahr 1936 sahen eigentlich eine große Blockrandbebauung unter der Einbeziehung der Häuser in der Bahnhofstraße vor. Ähnlich wie in Hauberrissers Neuem Münchener Rathaus sollte in St. Johann der Erdgeschossbereich von Bahnhofstraße und Betzenstraße für Ladeneinbauten reserviert bleiben. Doch blieb es bei dem kurzen Anbau an der Gerberstraße, dessen abschließendes Treppenhaus dem jüngsten Erweiterungsbau von Helge Bofinger zum Opfer gefallen ist.


Zweiter Weltkrieg

Das 1935 angeschaffte Turmglockenspiel wurde bereits während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1941 im Rahmen der Metallspende des deutschen Volkes für Kriegszwecke ausgebaut und eingeschmolzen. Anlässlich des bevorstehenden Geburtstages von Adolf Hitler hatte Generalfeldmarschall Hermann Göring am 27. März 1940 den Aufruf zur Metallspende des deutschen Volkes erlassen.

Bei der Bombardierung Saarbrückens im Jahr 1944 erhielt auch das Rathaus St. Johann einen schweren Treffer in der rechten Platzfassade. Das Dach, alle Giebel und die oberste Etage waren zerstört. Nur der polygonale Erkerturm überstand die Bombenangriffe.

Saarbrücken galt als wichtiger Umschlagsplatz für den Nachschub an die Westfront sowie als wichtige Eisenindustrieproduktionsstätte und war somit ein kriegswichtiges Ziel für die Alliierten. Unter den zahlreichen Angriffen war der Tagesangriff der US-Amerikaner am 11. Mai 1944 besonders zerstörerisch. Höhepunkt der Bombenzerstörungen waren allerdings die Angriffen vom 5. Oktober 1944. Der Oberkommandierende der Royal Air Force, Luftmarschall Arthur Harris, leitete einen massiven Schlag gegen die Stadt. Ein Bomberverband warf in mehreren Wellen Sprengbomben sowie Stabbrandbomben über der Stadt ab. Der etwas mehr als 30-minütige Angriff löste einen gewaltigen Feuersturm aus, der zahlreiche Menschen tötete oder obdachlos machte.


Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg - Wiederaufbau

Die Bombenschäden konnten ab 1948 unter dem Leiter des Hochbauamtes Peter Paul Seeberger und unter den Bürgermeisterschaften von Franz Singer (1946–49), Heinrich Barth (1949) und Peter Zimmer (1949–1956) befundgetreu behoben werden.

Dabei erhielt das Dach Schleppgauben in zwei Dachebenen und der Bürgermeistererker statt seiner vormaligen geschweiften Kupferhaube einen Austritt mit neogotischer Maßwerkbrüstung. Die Einfuhr des von Hauberrisser verbauten Pfälzer Sandsteins (ca. 100 Kubikmeter) war zu dieser Zeit nicht möglich. Somit kam hellerer Sandstein aus dem Elsass zum Einsatz, was auch heute noch im dritten Stock und den drei Giebeln des westlichen Verwaltungstraktes sichtbar ist. 1953 konnte der wiederhergestellte Teil der behördlichen Benutzung übergeben werden.


Arkadeneinbau in den 1960er Jahren

Ab 1962/63 wurde infolge der Verbreiterung der Betzenstraße (der Bürgersteig war der Straße zugeschlagen worden) ebenfalls unter Peter Paul Seeberger entlang der Straße unter der Bürgermeisterschaft von Fritz Schuster (1957–1976) eine neogotische Fußgängerarkade eingebaut, nachdem ein gründerzeitliches Gebäude (Betzenstraße Nr. 7), an dessen Giebel Georg von Hauberrisser hatte bauen müssen, abgerissen werden konnte.

Dabei wurde die ehemalige Toreinfahrt zum Rathaushof zum Arkadenbogen umgebaut. Die ehemalige Toreinfahrt ist mit einem Engel geschmückt, der das St. Johanner Wappen trägt. Er ist umgeben von Landsknechten mit Hellebarden, die sich auf Konsolen stützen. Die Sandsteinarbeiten waren im Jahr 1907 von den St. Johanner Bildhauern Wagner und Schneider ausgeführt worden.

Der neu zu gestaltende freie Giebel in der Betzenstraße wurde mit rötlichen Sandsteinplatten verkleidet und von Paul Schneider und Hans Dahlem in abstrahierenden Schmuckformen der 1960er Jahre mit einem Lebensbaum dekoriert. Paul Schneider gestaltete auch mit Hans Dahlem und György Lehoczky das Innere des Ratskellers neu.


Renovierung in den 1980er Jahren

1988 stand die Renovierung des Festsaales an. Anlass waren Schäden an den Wandgemälden Wilhelm Wrages, am Parkettboden und an den bleiverglasten Maßwerkfenstern Alexander Linnemanns. Die Gemälde des St. Johanner Geschichtszyklus wurden gesichert und restauriert. Die in der französischen Besatzungszeit überstrichenen Malereien an der Ostseite, die das rundbogige Maßwerkfenster der „Industria/Allegorie St. Johanns“ mit den Zunftwappen umrahmten (wappentragende Löwen) und die Malereien an der Westseite über der Empore (Reichsadler) wurden freigelegt und Fehlstellen erneuert.

Die Maßwerkfenster wurden durch eine Vorsatzverglasung wärmedämmend und schallschutztechnisch aufgerüstet. Dabei ersetzte man die Verglasung der Balkonlaubentüren aus den 60er Jahren durch neue, die den Originalen Linnemanns entsprachen. Ergänzt wurden die Scheiben durch die Wappen der Saarbrücker Partnerstädte Nantes, Tiflis/Tbilissi und Cottbus. Das Eichenparkett wurde erneuert und das Deckengebälk gereinigt. Die Wandpanelle und Bänke wurden restauriert.

Die geplante Wiedereröffnung des Rathausfestsaales am 1. Dezember 1988 musste verschoben werden, da in der Nacht vom 27. auf den 28. September 1988 im benachbarten Turmzimmer ein Brand ausgebrochen war und große Schäden angerichtet hatte. So verzögerte sich die Wiedereröffnung bis zum 17. Januar 1989.


Renovierung in den 1990er Jahren

Als im Frühling 1994 ein Sandsteinquader aus der Fassade über dem Haupteingang herabstürzte, untersuchte man die Außenmauern auf ihren Zustand hin. Dabei stellte sich heraus, dass sich durch Korrosion der zementeingegossenen Steinanker im zweischaligen Mauerwerk (außen Sandstein / innen verputztes Ziegelmauerwerk) die Sandsteinquader lösten. Durch undichte Fugen war Wasser in das Mauerwerk eingedrungen und hatte zu einer Volumenvergrößerung bis zu 500% der Eisenanker geführt. Die dadurch entstandene Sprengwirkung drohte nach und nach die Fassade zu zerstören.

Darüber hinaus war durch Winddruck eine Zermürbung der Fugen bei den Fialen feststellbar. Durch das Eindringen von Regenwasser infolge einer mangelnden Instandhaltung der Regenrinnen war es durch Absandung und Salzausblühungen zu einem Substanzverlust gekommen. Wasserlösliche Schadstoffe (besonders Sulfat) belasteten zusätzlich die Natursteinoberfläche. Verursacht durch die Umbaumaßnahmen in den 1960er Jahren in der Betzenstraße (Einbau einer Arkadenpassage) traten dort nun erhebliche Rissbildungen zutage.

Somit musste ein Erhaltungskonzept mit folgenden Punkten erarbeitet werden: 1. Notsicherung, 2. Entfernung der korrodierten Eisenteile, 3. Befundgetreuer Austausch der defekten Sandsteine, 4. Wiederherstellung aller kraftschlüssigen Konstruktionen, 5. Verfugung des gesamten Sandsteinmauerwerks.

Die Instandsetzung von Dach und Außenfassaden erfolgte nun in vier Abschnitten:

1995: Rathausinnenhoffassaden und Flügel in der Betzenstraße

1996: Turm

1997: Fassade des Festsaales

1998: Verwaltungstrakt mit Bürgermeistererker und Eckturm


Sandsteinquader und Formstücke mussten nummeriert, ausgebaut und in eine eigens zu diesem Zweck auf dem Rathausplatz eingerichtete Bauhütte verbracht werden. Hier wurden sie untersucht. Bei optisch-ästhetischen Mängeln wurde der Stein wieder an Ort und Stelle montiert. Bei substantiellen Mängeln (Schalenbildung/Absandung) wurde das Element befundgetreu kopiert.

Die Montage erfolgte nun mit Verbindungselementen aus Edelstahl, das nicht oxydieren und deshalb nicht in dem Maße wie Eisen steinabsprengend wirken kann. Die Quader der äußeren Vorschalmauer halten sich untereinander mit Klammern, während sie mit dem innenliegenden Ziegelmauerwerk durch Anker verbunden sind. Kleinere Fehlstellen der äußeren Vorschalmauer wurden mit steinernen Ersatzstücken neu gefüllt.

Nach Abschluss der Steinarbeiten wurde die gesamte Oberfläche der Fassade in einer Kombination aus Trocken- und Nassreinigungsverfahren (JOS-Verfahren) behandelt. In einer speziellen Düse wurden Luft, Wasser und Sandgranulat miteinander vermischt und mit niedrigem Druck (0,5 bis 4 bar) gegen die zu reinigende Maueroberfläche geblasen. Im kegelförmigen Reinigungsstrahl bildete sich dabei ein Rotationswirbel, der schonend Verunreinigungen auf dem Naturstein abschliff, ohne die darunterliegende Textur zu schädigen. Das Verfahren reinigte zwar die Rathausfassade von Staub- und Rußpartikeln, erhielt ihr aber auch eine gewisse Patina. Das Verfahren wurde auch in München bei der Fassadenreinigung von Hauberrissers Rathaus am Marienplatz mit Erfolg eingesetzt.

Im Jahr 1999 stiftete unter anderem die Handwerkskammer des Saarlandes ein neues Glockenspiel mit 19 Glocken und drei Figuren.


Rathaus-Carée

Etwa 100 Jahre nach der Errichtung des ersten Bauteiles wurde das Rathaus in den Jahren 1995–1998 von Helge Bofinger unter der Bürgermeisterschaft von Hajo Hoffmann wiederum erweitert. Das sogenannte „Rathaus-Carée“ wurde als Stahlskelettkonstruktion mit heller Kalksandsteinverkleidung (statt der bisherigen roten Sandsteinverkleidung aller übrigen historischen Bauteile) und Ausfachung aus transparenten Glas-Stahl-Elementen errichtet.

Dem Bau gingen heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit voraus, da man zunächst plante, dem Neubau spätbarocke Häuser in der Bahnhofstraße zu opfern. Als Kompromiss wurden die Häuser in den Neubau integriert und blieben so erhalten. In einer aufgeständerten Spange entlang der Betzenstraße, die Hauberrisser im 19. Jahrhundert wegen in dieser Straße vorhandener Gebäude nicht hatte bebauen können, wurden nun auf mehr als 7000 Quadratmetern unter anderem die Stadtbibliothek und das Bürgeramt untergebracht.

Der Neubau hatte 90 Millionen Mark gekostet und war von der Stadt Saarbrücken und der Bayerischen Apothekerversorgung finanziert worden. Ergänzend zum Rathaus-Carée wurde auch gleichzeitig die Erweiterung der Disconto-Passage am 29. Oktober 1998 eröffnet. Der Bau weist deutliche Ähnlichkeiten in der Fassadengestaltung zum Willy-Brandt-Haus auf, das Helge Bofinger in den Jahren 1994–1996 im Berliner Ortsteil Kreuzberg an der Ecke Wilhelmstraße/Stresemannstraße als Sitz der Bundeszentrale der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) errichtet hatte. Wesentliche Materialien beider Gebäudefassaden sind Glas, heller Kalkstein und blau schimmerndes Metall.


Ausstattung - Fassade - Asymmetrische Gestaltung

Das Rathaus wurde von Georg von Hauberrisser im Typus des malerischen Rathauses mit asymmetrischem Grundriss gestaltet (Straßenfront 57 m Länge). Der leicht zurückgesetzte Bürgermeistertrakt (Westflügel, 30,35 m Länge) mit zentralem Fassadenerker am Bürgermeisterzimmer ist ein quer gestellter, zinnen- und giebelgeschmückter Längsbau mit steilem Dachaufbau, an den sich im stumpfen Winkel rechts ein hochbehelmter Erkerturm (architektonisches Bindeglied zum anschließenden kurzen Seitenflügel in der Betzenstraße) anschließt.

Das Motiv des Eckturmes verwendete Hauberrisser dann auch beim Münchner Rathaus (Ecke Weinstraße / Marienplatz). Die Ausgestaltung des St. Johanner Eckturmabschlusses wird von Hauberrisser im Turmabschluss der „Treppe der Lebensalter“ im Prunkhof des Münchner Rathauses wieder aufgegriffen. Ebenso verwendete Hauberrisser das Motiv bei der Burg Bouzov (deutsch: Burg Busau) in Mähren, die der Deutsche Orden in den Jahren 1896–1901 nach seinen Plänen als Sommersitz für den damaligen Hochmeister Erzherzog Eugen von Österreich in historisierenden Formen umgestalten ließ. Das Eckturm-Motiv mit hohem Spitzhelm kommt auch bei Hauberrissers Schloss Holdereggen, beim Neuen Rathaus in Wiesbaden sowie bei seinem eigenen Wohnhaus in München (Schwanthalerstraße 106–108),[65][66][67] allerdings hier in Formen der Neorenaissance, zum Tragen.

Im linken Gebäudeteil des St. Johanner Rathauses beeindruckt der 54 m hohe Rathausturm und der Saalbau mit reichem Schmuckgiebel. Der Bürgermeistererker des Westtraktes weist vier Konsolköpfe auf, die als verschiedene Lebensalter des Menschen gedeutet werden könnten. Hauberrisser bearbeitete dieses Thema auch beim Bau des großen Treppenturmes („Treppe der Lebensalter“) im Prunkhof des Münchener Rathauses. In St. Johann sieht man (von links nach rechts):

schreiender jugendlicher Frauenkopf mit revolutionärer Jakobinermütze (Jugend / Revolte)

Männerkopf mittleren Alters mit geflügeltem Hermeshelm (gesetztes Alter / Wirtschaftskraft)

Männerkopf mit Halbglatze (Alter)

hohlwangiger Männerkopf mit Hut und Trauerschärpe (Siechtum / Tod)


Die Längsstreben der Spitzbogenfenster des Ratssaales werden in einen prunkvollen, erker- und maßwerkgeschmückten Giebel mit zwei Altanen, Fialen und Kreuzblumen weitergeführt. Die Konsolen der mittleren Giebelfialen sind Allegorien der Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die Wasserspeier (Furie, Geizhals, Sinnlichkeit) am Dachgesims stellen drei der sieben Todsünden dar:

Ira (Zorn, Wut, Rachsucht)

Avaritia (Geiz / Habgier)

Luxuria (Wollust, Ausschweifung, Genusssucht, Begehren)


Am Giebel der Kaltenbachstraße stellte Hauberrisser auf den Konsolsteinen dagegen Tugenden dar: Stärke und Mildtätigkeit.

Die Position des Festsaales innerhalb des Gebäudes markieren nach außen prächtige Maßwerkfenster und zwei Balkonlauben bzw. Altane. Traditionell waren die Balkonlauben bei mittelalterlichen Rathäusern als Gerichtserker genutzt, von dem aus Mitglieder des städtischen Rates dem Vollzug eines Urteils auf dem Marktplatz zusehen konnten.

Die beiden symmetrisch platzierten Altane sind ganz offensichtlich inspiriert vom hochgotischen Erker des Reichssaalbau des Alten Rathauses in Regensburg, wo von 1663 bis 1806 der Immerwährende Reichstag des Heiligen Römischen Reiches stattgefunden hatte. Hauberrisser konnte durch diese Architekturelemente sichtbar an die Tradition des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation anknüpfen.


Gestalterische Parallelen mit dem Neuen Münchener Rathaus

Die St. Johanner Rathausfassade weist unverkennbare Ähnlichkeiten mit der des neuen Münchner Rathauses in ihrer abgeschlossenen Gestaltung der Jahre 1898–1905 auf: Zum einen die asymmetrische Platzierung der wichtigen Architekturelemente (Turm, Giebeltrakt, Turmerker) zum anderen die Gestaltung der Einzelformen (Giebelfeldgestaltung, die von mächtigen Konsolen getragenen Balkonlauben, umlaufende Zinnen, paarige Anordnung der Fenster, umlaufender Turmbalkon mit Ecktürmchen, Figurenschmuck).

Allerdings konnte Hauberrisser die Rathausfassade in St. Johann in einem Zug entwerfen und sie somit ausgewogener komponieren als die des neuen Münchner Rathauses, das in drei Bauabschnitten (1. 1867–1881 / 2. 1889–1892 / 3. 1898–1905) errichtet wurde. An der Marienplatzfassade des Münchner Rathauses hatte Hauberrisser überdies auch zwei Gebäudeabschnitte mit unterschiedlichen Geschosshöhen, Fassadenverkleidungen und Fenstergestaltungen durch überreichen Fassaden- und Figurenschmuck optisch verunklärend miteinander in Beziehung setzen müssen.

Im Gegensatz zur Fassadenkonzeption des Wiener Rathauses von Hauberrissers Lehrer Friedrich von Schmidt bleiben Hauberissers Fassaden in München und St. Johann flächig und leben von der Reliefwirkung der Balkone, Erker, Zinnen, des Maßwerks und des Statuenschmucks.

Beide Fassaden Hauberrissers (St. Johann und München) entsprechen so dem Typ der von der in Berlin herausgegebenen Baufachzeitung „Centralblatt der Bauverwaltung“ gefordert wurde: „einer auf den Rathausplatz und überhaupt auf das Stadt-Innere bezogene, in passender Platzumgebung herrschende, malerischen, intime, deutsche Rathausanlage.“

Nicht nur an der Fassade, sondern auch an der Gestaltung der Rückfront des St. Johanner Rathauses tritt die Gestaltungsfreude Hauberrissers durch Überschneidung unterschiedlich entworfener architektonischer Baukörper und asymmetrisch aufgeteilter Flächen deutlich hervor. Hinzu tritt die effektvolle Wechselwirkung von verputzen Mauerflächen und rotem Sandstein sowie die Verwendung von Tonziegeln und kupfergedeckten Schweifhauben in Renaissanceformen bei der Dacheindeckung.

Hauberrissers schier unermüdliche Akribie und sein Variantenreichtum wurden auch vom St. Johanner Stadtbaumeister Wilhelm Franz geschätzt. So schreibt Franz in einem Brief an Bürgermeister Neff vom 26. September 1906: „Nun stellte sich bald heraus, daß Hauberisser die Arbeit so ernst auffaßte, daß er keine Zeichnung abgehen ließ, ohne selbst jede Einzelheit entworfen und korrigiert zu haben. Die Eigenart des Künstlers, die seinen Werken einen besonderen Wert verleiht, ist mir erst später bekannt geworden. Er vertiefte sich so in den Entwurf, daß er seine ganze Kraft daran setzte.“


Kritik an der Gestaltung

Für die Baukunst des 19. Jahrhunderts hat sich der Begriff des „Historismus“ allgemein durchgesetzt. Diese Bezeichnung wurde erstmals durch den Kunsthistoriker Hermann Beenken im Jahre 1938 in die Kunstgeschichte eingeführt. In seinem Aufsatz „Der Historismus in der Baukunst“ ordnete er die Wiederaufnahme historischer Stile in der Neogotik, der Neoromanik, der Neorenaissance und im Neobarock im 19. Jahrhundert in den von ihm geschaffenen Oberbegriff „Historismus“ ein.

Das Vorurteil des Unschöpferischen, nur Nachahmenden gewann gerade in einer Zeit an Gewicht, in der sich die Kunst besonders radikal von allen Bindungen an vorangegangene Stilepochen lösen wollte. Dies erfolgte bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert im sogenannten Jugendstil und verstärkte sich noch mehr in der Neuen Sachlichkeit in den 1920er Jahren. Um sich mit ihrem neuen, ganz anderen Stil gegen die alten Vertreter des Historismus an den Technischen Hochschulen behaupten zu können, mussten die jungen Architekten den Stil ihrer Lehrer, den Historismus, grundsätzlich verdammen. Dies kann als Generationenkonflikt gesehen werden, bei dem die Kinder und Enkel gegen die (Gestaltungs-)Welt der Väter und Großväter aufbegehrten, um sich ihre eigene zu erschaffen. Beim Historismus hat diese aufbegehrende Ablehnung bis in die 1970er Jahre des 20. Jahrhunderts und weit darüber hinaus angedauert.

So meinte etwa der deutsch-britische Kunsthistoriker Nikolaus Pevsner noch im Jahr 1965: „Historismus ist die Haltung, in der die Betrachtung und Benutzung der Geschichte wesentlicher ist, als die Entdeckung und Entwicklung neuer Systeme, neuer Formen der eigenen Zeit. (...) Historismus ist die Tendenz, an die Macht der Geschichte in einem solchen Maße zu glauben, daß ursprüngliches Handeln erstickt und durch ein Tun ersetzt wird, das von einem Präzedenzfall einer bestimmten Zeit inspiriert ist.“ Damit setzt er Historismus in abwertender Weise mit Stileklektizismus gleich. Das Urteil des „Unschöpferischen“ sorgte dafür, dass zahlreiche Gebäude des Historismus, wenn sie denn die Zerstörungen des Ersten Weltkrieges und des Zweiten Weltkrieges überstanden hatten, in der Nachkriegszeit vernachlässigt, „purifiziert“ oder sogar abgerissen wurden.

Die Architekturmotive, die die Fassaden Hauberrisser in St. Johann und München ausmachen und der Bautradition des altdeutschen Rathauses entstammen, begegneten dem zeitgenössischen Betrachter an zahlreichen Rathausfronten des damaligen Kaiserreiches: Rathausturm bzw. Dachreiterturm, giebelgeschmückter Ratssaaltrakt, Erker und/oder Laube. Durch die oftmalige Wiederholung dieser als unentbehrliche Gestaltungselemente aufgefassten Motive entstand ein „Semper-idem-Effekt“, der bereits den Spott mancher Kritiker des späten Historismus provozierte.

So schrieb etwa Hermann Kronsbrück im Jahr 1906 in beißender Ironie in der Zeitschrift „März“ in Bezug auf die gotischen Entwürfe Hauberrissers: „Die Hauptfronten […] sind schlechtweg Sündenregister […]. Man fragt vergebens nach dem Zweck und der Bedeutung des großen Turmes […]. Man sieht überall eine Fülle an Einzelformen, die alle addiert, nicht verschmolzen sind. […] Eine Kleinigkeit vermisse ich: Ich fände es passend, wenn alle Rathausbeamten vom Ersten Bürgermeister bis letzten Schreiber gotische Kostüme trügen. Damit wäre nicht nur die so oft geforderte Stilreinheit, sondern auch die keineswegs verlangte Maskerade des Ganzen ersichtlich betont.“


Turm

Der obere Teil des Turmes hat große Ähnlichkeit mit dem etwa zeitgleich von Heinrich von Schmidt – Sohn von Hauberrissers Lehrer Friedrich von Schmidt – erbauten Turm des Alten Rathauses in Passau. Die Dachform übernahm Hauberrisser vom Wahrzeichen seines Geburtsortes Graz, dem Grazer Uhrturm. Auch der um 1340 erbaute Ulmer Metzgerturm oder der von 1450 bis 1521 erbaute Wehrturm von Perchtoldsdorf bei Wien kann als Inspirationsquelle Hauberrissers gedient haben. Der untere Teil des St. Johanner Rathausturmes abstrahiert bis zur Galerie den von Hauberrisser gestalteten Turm des Neuen Rathauses in München. Das Motiv des oberen Turmabschlusses des Rathauses St. Johann hatte Hauberrisser bereits in den Jahren 1887 bis 1890 beim Bau von Schloss Holdereggen, einem stattlichen Herrensitz mit Park im Lindauer Stadtteil Aeschach verwendet. Auch hier ließ Hauberrisser Pfälzer Bundstandstein als Baumaterial festlegen.

Der Rathausturm weist in der vierten Geschosshöhe ein Steinrelief auf, das von Anton Kaindl entworfen wurde. Darauf sind zwei wehrhafte Ritter zu sehen, die den Wappenschild von St. Johann halten. Darüber ist in Stiftmosaik eine Turmuhr gestaltet (Durchmesser 2,90 m), deren Spruchbanderole den Betrachter auf die Vergänglichkeit alles Irdischen hinweist: „Die Zeit eilt.“ An der Westseite des Turmes ist das Pendant zur Uhr an der Hauptfassade des Turmes angebracht. Hier lautet der Banderolenspruch versöhnlicher: „Die Zeit heilt.“

In 32 Meter Höhe umgibt den Turm eine begehbare zinnen- und ecktürmchengeschmückte Galerie. Nach oben folgen nochmals drei Turmgeschosse und ein giebelgeschmücktes Dachgeschoss.

Von der Turmvorhalle aus führt eine breite gegenläufige Treppe zum Rathausfestsaal. Das Netzgewölbe des Treppenhauses wird von einer einzigen Säule im Raummittelpunkt getragen. Die vier Maßwerkfenster des Treppenhauses wurden nach Kriegszerstörung im Jahr 1951 von Wolfram Huschens (1921–1989) zum Thema „Die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft“ neu gestaltet.

Neben dem großen Treppenhaus gestaltete Hauberrisser noch ein Treppenhaus im Flügel (Flügellänge 14 m) an der Betzenstraße und eine mittelstützenfreie Wendeltreppe direkt neben dem großen Treppenhaus. Hier ließ sich Hauberrisser von der berühmten Wendeltreppe des Renaissancebaumeisters Blasius Berwart (1530–1589) im Schloss Mergentheim, dem Sitz der Deutschmeister und der Hochmeister des Deutschen Ordens, inspirieren. Hauberrisser, der stets für ihn interessante historische Architekturmotive in einem Skizzenbuch festhielt, hatte die Treppe zuvor auf einer Reise nach Mergentheim skizziert.

Nach der Sichtung von Steinen aus dreizehn verschiedenen Steinbrüchen als Baumaterial ordnete Hauberrisser rötlichen bzw. gelbrötlichen Bruchmühlbacher und Landstuhler Sandstein an, da die verwendeten Steine feinkörnig und frei von Toneinsprengungen und Sandnestern sein sollten. Die Steine für die Granitstufen der Freitreppe am Turm und der Innentreppen lieferte das Granitwerk Jacob in Marktleuthen im Fichtelgebirge.

Der Rathausturm, der seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert in einigen Teilen des deutschen Reiches im Weichbild der Städte neben die Höhendominante der Kirchtürme trat, wird in der Kunstgeschichte teilweise als Reduktion des frühmittelalterlichen Westwerks, das heißt als eine Übertragung eines kaiserliches Machtsymbols auf den städtischen Bereich gesehen. Rathaustürme visualisierten den mächtigen Freiheits- und Selbstverwaltungsanspruch einer mittelalterlichen Stadt.

Das städtische Rathaus des Mittelalters hatte in der Regel nicht nur die Funktion dem Rat der Stadt als Versammlungsort zu dienen, sondern war auch Ort der Rechtsprechung und des Handels. Dementsprechend hatte es eine spezifisch andere Form als sie für die veränderten Situationen im 19. Jahrhundert notwendig war.

Im Kaiserreich von 1871 besaß allerdings die städtische Selbstverwaltung im Vergleich zu den freien Reichsstädten des Mittelalters keine wirkliche Autonomie mehr. Die Kommunalverwaltung war letztendlich nur noch der vollstreckende Arm des Staates.

Rechtsprechung und Handel hatten jetzt eigene Orte. Zum raumbildenden Programm des Rathauses im 19. und frühen 20. Jahrhundert gehörten allgemein Sitzungssäle unterschiedlicher Dimension sowie meist ein Festsaal zur städtischen Repräsentation. Wesentliches Merkmal war jedoch die Vielzahl von Bürozimmern für die notwendig gewordenen einzelnen Ämter. Der unterschiedliche Maßstab der Repräsentationsräume auf der einen Seite und der Bürozimmer auf der anderen Seite war für den Architekten der Zeit hinsichtlich der Grundriss und Fassadengestaltung meist ein nicht unerhebliches Problem.

Darüber hinaus war auch der veränderte Maßstab des durch die Industrialisierung gewachsenen Stadtraumes mit höheren Miet- und Geschäftshäusern und Bauten, die sich über mehrere Parzellen erstreckten, Anlass zu einer neuen Grundform der gründerzeitlichen Rathäuser gegenüber ihren mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Vorgängern.

Das Rathaus des Historismus entlehnte von seinen Vorbildern meist den ursprünglich funktional begründeten Turm als Herrschaftszeichen und Akzent im sich rasant verändernden Stadtbild. Seit dem Entwurf des Hamburger Rathauses des englischen Architekten George Gilbert Scott von 1854 und dem in den Jahren 1860–1871 von Hermann Friedrich Waesemann errichteten Roten Rathauses in Berlin war ein Turm obligatorischer Teil einer historistischen Rathausfassade und befand sich meist in der Mittelachse (vgl. auch Wiener Rathaus). In Anbetracht der Situationsveränderung im 19. Jahrhundert stellt sich die Frage nach der eigentlichen Bedeutung von Turm, prächtigem Saaltrakt und Erker am historistischen St. Johanner Rathaus.

Das Auseinandertriften von gewandelten politischen Verhältnissen des neuen deutschen Kaiserreiches und der Übernahme mittelalterlicher Baumotive an neuen Rathäusern wurde auch schon von Hauberrissers Zeitgenossen wahrgenommen und rief kritischen Äußerungen hervor.

So werden im Jahre 1903 in der Deutschen Bauzeitung die Architekten Gräbner und Schilling zitiert:

„[Das] Altertümeln mit Giebeln, Erkern und allen Anhängseln alter Bauten habe auch deshalb keine Bedeutung für ein modernes Rathaus, weil die Bedingungen heute hierfür ganz andere seien als früher. Heute sei ein Rathaus ein Verwaltungs-Gebäude, in dem Gleiche unter Gleichen die Leitung haben. Wem solle also ein Erker werden und wem ein Giebelzimmer? Gewiss soll ein modernes Rathaus seine Stadt repräsentieren, es solle aber auch von der eigenen Kraft sprechen, aus der Zeit für die Zeit. Auch davon solle es reden, dass wir in einer Zeit der Konstruktionskunst leben, in welcher man grosse Gedanken anders ausdrücken könne, als früher.“

– Deutsche Bauzeitung


Figurenschmuck

Sowohl der als Hoheitszeichen geplante Turm, der in einem stumpfen Helm mit vier Eckspitzen und Galerie endet, als auch der nach Art mittelalterlicher Tagungs-, Gerichts- und Repräsentationszimmer durch reiche Fenstergestaltung hervorgehobene Saaltrakt sind geschmückt mit kupfergetriebenen Figuren unter hohen Maßwerkbaldachinen, die die alten Handwerksstände St. Johanns darstellen:

Bergmann gestützt auf Vorschlaghammer / im Konsolschild: Hammer und Schlägel

Hüttenarbeiter mit Hammer und Amboss / im Konsolschild: Hammer und Schmiedezange

Bauer mit Ferkel und Weidenkorb / im Konsolschild: Adler

Brauer mit Bierkanne / im Konsolschild: Löwe, ein Tier reißend

Gerber mit Lammfell und Gerbermesser / im Konsolschild: gekreuzte Messer und Gerberbottich

Kaufmann mit Geldbörse / im Konsolschild: ein geflügelter Merkurstab

Während schon zu einem frühen Zeitpunkt feststand, dass die Statuen eines Bergmannes und eines Hüttenarbeiters auf den Konsolen zwischen den beiden Rathausaltanen am Festsaaltrakt aufgestellt werden sollten, war über die Beschaffenheit der übrigen Figuren noch nicht entschieden. Erst am 23. November 1901 erhielt der Münchner Modelleur Anton Kaindl für die übrigen Figuren den Auftrag, sie als Bauer, Gerber, Kaufmann und Brauer in einer Größe von 1,75 m zu gestalten. Nach zähen Verhandlungen entschied sich die Stadtverwaltung die Modelle bei Hygin Kiene in Kupfertreibarbeit gestalten zu lassen, als dieser den Preis je Figur auf 1200 Mark minimiert hatte. Nachdem Hauberrisser am 21. Mai 1902 sein Plazet zur Ausführung gegeben hatte, konnten die Figuren nach St. Johann versendet werden.

Allerdings gab es bei der Aufstellung einige Probleme. Kaindl hatte nicht den geringen Abstand der Figuren zur Rathauswand berücksichtigt und die Statuen auch auf deren Rückseite mit üppigem Faltenwurf gestaltet. Deshalb musste bei der Aufstellung in St. Johann die Figur des Kaufmanns auf der Rückseite eingeschlagen werden. Bei der Figur des Gerbers wurde das Lammfell nach vorne gebogen und der Scherengriff teilweise abgetrennt.

Hinsichtlich der Gestaltung des Hüttenarbeiters fragte Kaindl bei Bürgermeister Neff nach, ob es gestattet sei, ihn mit nacktem Oberkörper darzustellen, ohne dass dies zu einer Erregung öffentlichen Ärgernissen führen könnte. Neff antwortete diplomatisch: „mit teilweise nacktem Oberkörper“.

Die Modellierung der Figur des Bergmanns sorgte für größere Schwierigkeiten, als Geheimrat Hilger, der Leiter der Bergwerksdirektion, im Modell Kaindls einen Erzbergmann und keinen (saarländischen) Steinkohlenbergmann zu sehen glaubte. So wurde das Modell des Bergmanns bis Ende 1903 so umgearbeitet, dass es den Erwartungen in St. Johann und Hauberrissers entsprach. Die endgültige Aufstellung war dann am 14. März 1904. Die Kosten für die Figuren waren zum großen Teil von den jeweiligen Berufssparten übernommen worden.

Durch die lange Verzögerung bei der Herstellung der Kupfertreibfiguren kam es teilweise zu der Nichtübereinstimmung von Figur und Konsolenwappengestaltung. Der Bildhauer Simon Korn hatte die Konsolen bereits angefertigt, als über die Auswahl der Berufsgruppen noch debattiert wurde. Deshalb passen die Wappenschilder der Konsolen nicht zu den Statuen von Bauer und Brauer.

Diese selbstbewusste Darstellung der St. Johanner Einwohnerschaft kann sehr wohl als Machtkampf des Bürgertums im Deutschen Kaiserreich zwischen Reichsgründung 1871 und dem Ende des ersten Weltkrieges 1918 gedeutet werden.

Auf der Giebelspitze des Saaltraktes hält ein Ritter mit Lanze Wacht über die Stadt. Ritterliche Rolandstatuen auf Marktplätzen und geharnischte Ritter auf Rathäusern selbst dienten seit jeher als Visualisierung einer unantastbaren städtischen Freiheit und Selbständigkeit.[85][86] Hôtel de Ville in Paris mit den Rittern auf dem Firstgitter

Auch das Pariser Rathaus, das an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert erbaut worden war, zeigte eine Reihe von zehn Rittern auf dem Firstgitter des Mittelbaues. Beim Wiederaufbau des Rathauses nach dem Brand während des Aufstandes der Pariser Kommune von 1871 in den Jahren 1873–1887 wurden die Ritter wieder auf dem Firstgitter aufgesetzt.

Das Rittermotiv des damals vielbeachteten Rekonstruktionsbaus des Pariser Rathauses übernahm auch Hauberrissers Lehrer Friedrich von Schmidt beim Bau des von 1872 bis 1883 errichteten neogotischen Wiener Rathauses: Hier wurde ein Ritter (Rathausmann (Wien)) auf die Spitze des Hauptturmes aufgesetzt. Infolgedessen können die Ritter auf den neuerrichteten Rathäusern von Paris und Wien durchaus als Vorbilder für den Rathaus-Ritter von St. Johann gesehen werden.

An der Kante des St. Johanner Rathausturmes befindet sich als Symbol des Kampfes zwischen Gut und Böse eine 2,30 m hohe Figur des St. Georg, der mit einem Drachen kämpft. Die Figur des Drachentöters Georg ist eine maßstabgetreue Kopie des sich im Besitz der Grafen Fugger zu Babenhausen befindlichen Originals. Ursprünglich hatte man geplant, an dieser Stelle eine Figur des Grafen Johann I. von Saarbrücken-Commercy, der St. Johann die Stadtrechte verliehen hatte, aufzustellen. Dieser Plan scheiterte daran, dass man keine geeigneten historischen Vorlagen für eine solche Figur zur Verfügung hatte.

Der Auftrag zur Modellierung der Statue des heiligen Georg wurde am 26. September 1900 an Anton Kaindl und zur Herstellung an den Kupferschmied Hygin Kiene vergeben. Nicht nur mehrere Abänderungswünsche Hauberrissers, sondern auch die Tatsache, dass Bildhauer Kaindl zur Modellanfertigung in ein größeres Atelier hatte umziehen müssen (der Drachenschweif misst alleine ca. 3,50 m), verzögerten die Lieferung der Figurengruppe nach St. Johann. Erst am 10. September 1901 war die Figurengruppe im Festsaal des Rathauses zur öffentlichen Besichtigung aufgestellt. Am 15. September 1901 wurde sie im Beisein des Kupferschmiedes Hygin Kiene montiert.

Der Drache hat an der Südwestecke von Hauberrissers Münchner Rathaus (Ecke Weinstraße / Marienplatz) eine deutliche Parallele im sogenannten Wurmeck. Wie in St. Johann wurde auch in München die Figur durch Anton Kaindl modelliert und von Hygin Kiene in Kupfer getrieben. Darüber hinaus hat die St. Johanner St. Georg-Figurengruppe auch ein Pendant an der östlichen Ecke des Münchner Rathauses (Gestaltung: Syrius Eberle).

Alle Figuren wurden von Anton Kaindl aus München modelliert und von der Münchner Kupferschmiede von Hygin Kiene als Treibarbeit gefertigt. Die übrigen plastischen Steinbildhauerarbeiten (Köpfe, Konsolen, Wasserspeier) fertigte der Münchner Bildhauer Simon Korn. Simon Korn hatte sowohl am alten, als auch am neuen Münchener Rathaus Hauberrissers und in der Folge an der von Hauberrisser entworfenen St. Paulskirche in München nach eigenen Entwürfen und Modellen die Bildhauerarbeiten in Steinausführung gemacht.


Glockenspiel

Täglich ertönt um 15:15 und 19:19 Uhr ein Turmglockenspiel. Das erste Glockenspiel mit 21 Bronzeglocken wurde 1935 anlässlich der Saarabstimmung vom „Reichsbund für das Deutschtum im Ausland“ gestiftet. Das Glockenspiel war laut Gedenktafel dem „Gedenken an die Gemeinschaft des Kampfes und in bleibender Verpflichtung deutschen Grenzlandgeistes“ gewidmet und spielte deutschnationale Lieder im Geiste des Nationalsozialismus. Bereits 1941 wurde es zu Kriegszwecken eingeschmolzen.

Das jetzige Glockenspiel mit 19 Glocken wurde im Jahr 1999 zur Jahrtausendfeier der Nennung Saarbrückens in einer Schenkungsurkunde Kaiser Ottos III. am Rathausturm als Stiftung der Handwerkskammer des Saarlandes angebracht. Moderne Figuren (Hauer, Hochofengießer, Zimmermann) aus Edelstahl und Kupfer, die von Bürgerinnen und Bürgern gestiftet wurden, bewegen sich zu jahreszeitlich wechselnden Melodien. Derzeit sind über Computersteuerung etwa 40 Melodien von ca. 45 bis 60 Sekunden Länge programmiert. Seit 1999 existiert auf Honorarbasis offiziell das städtische Amt des „Künstlerischen Leiters des Glockenspiels im Turm des Rathauses der Landeshauptstadt Saarbrücken“. Seit 1999 wird das Amt von Christoph Keller ausgeübt. In einem Zimmer auf halber Turmhöhe werden alle Melodien eingespielt und per Glasfaserkabel zum Glockenspiel gesendet.


Festsaal

Der reichlich dekorierte Festsaal im Rathaus in St. Johann hat eine Höhe von zwei Stockwerken und wird überwiegend für repräsentative Zwecke genutzt. Jährlich finden dort etwa 1000 Trauungen statt.

Der St. Johanner Festsaal weist deutliche Gestaltungsparallelen zu Hauberrissers Sitzungssaal des Magistrates (Kleiner Sitzungssaal) und dessen Wanddekoration von Wilhelm von Lindenschmit der Jüngere im Münchener Rathaus auf.

Eine weitere Gestaltungsparallele zum St. Johanner Ratssaal stellt Hauberrissers Rathausprunksaal im Rathaus von Landshut (Umgestaltung 1876-1882, Thema der Ausmalung: Die Landshuter Hochzeit von 1475, Maler: Rudolf von Seitz, Ludwig von Löfftz, Konrad Weigand, August Spieß) dar. Auch hier wurden wie schließlich auch in St. Johann stadtgeschichtliche Themen in historistischer Manier auf Wandgemälden in Szene gesetzt. Ebenso kam die Landshuter Kombination von neogotischer Wandverkleidungen, Prunkkaminen und aufwändiger Holzdecke in St. Johann wieder zur Anwendung.

Bereits während des Deutsch-Französischen Krieges hatte es Planungen des preußischen Kultusministers Heinrich von Mühler für einen patriotischen Bilderzyklus für das Rathaus von Saarbrücken, das heutige Alte Rathaus, am Schlossplatz gegeben. Der Maler Anton von Werner fertigte daraufhin einen sieben Bilder umfassenden Zyklus, der am 8. August 1880 in einem eigens dafür erbauten Festsaal präsentiert wurde. Dieser Saarbrücker Rathauszyklus stellte den Sturm auf den Spicherer Berg am 6. August 1870, die Ankunft König Wilhelms am 9. August 1870 in Saarbrücken, eine Allegorie auf die Einigung der deutschen Stämme (das berühmte „Viktoria“-Gemälde, dessen Motiv als Dauerserienbriefmarke der Reichspost verwendet wurde) und Großporträts von Moltke, Bismarck, Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz Friedrich Karl dar.

Diese Rathauserweiterung in Saarbrücken bedeutete nun für die Stadtverwaltung der Schwesterstadt St. Johann einen Motivationsschub, mit einem eigenen noch prunkvolleren Rathausfestsaal Saarbrücken zu übertreffen und den eigenen Führungsanspruch zu zementieren.


Gemäldewettbewerb

Am 6. April 1899 fragte Bürgermeister Neff beim preußische Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten in Berlin an, ob die Möglichkeit bestünde, dass der preußische Kunstfonds finanzielle Mittel zur Verfügung stellen könnte, um den St. Johanner Rathausfestsaal auszuschmücken. In der Rückantwort des Ministeriums vom 14. Juni 1899 bejahte man die Anfrage Neffs prinzipiell, machte allerdings mehrere Auflagen zur Bedingung:

Hälftige Kostenübernahme durch den preußischen Kunstfonds, wenn die Stadt St. Johann die andere Hälfte und die anfallenden Nebenkosten übernimmt.

Es gilt das Gutachterverfahren der Landeskunstkommission des Königreichs Preußen.

Es müssen drei Preise ausgeschrieben werden: (1. Preis: 3000 Mark, 2. Preis: 2000 Mark, 3. Preis: 1000 Mark). Die Kosten teilen sich Stadt und Ministerium hälftig.

Beim Wettbewerb muss die Stadt drei kunstsachverständige Vertreter für das Preisrichterkollegium benennen.

Das Ministerium erhält Fotografien des Festsaales für die Ausschreibungsunterlagen.


Die Stadtverordneten und Bürgermeister Neff erklärten sich mit den Bedingungen des Ministeriums einverstanden und so wurde durch das Ministerium am 3. Januar 1900 ein Wettbewerb zur Ausmalung des St. Johanner Rathausfestsaal ausgeschrieben. Alleinige Maßgabe an die Künstler war, dass die Malereien sich der Architektur des Saales anzupassen hätten. Zum Wettbewerb zugelassen waren nur preußische Künstler oder deutsche Künstler, die ihren Wohnsitz im Königreich Preußen hatten.

Am 3. Mai teilte die Stadt St. Johann dem Ministerium die Vertreter der Stadt im Preisrichterkollegium mit: Stadtbaumeister Franz, Stadtbeauftragter Knoblauch und Architekt Hauberrisser. Zum ausgeschriebenen Wettbewerb wurden insgesamt 16 Entwürfe eingesandt. Die Preisvergabe durch die königlich-preußische Landeskunstkommission erfolgte am 12. Juni 1900. Die Preise wurden folgendermaßen vergeben:

1. Preis: Wilhelm August Wrage aus Berlin (mit der Auflage geringfügiger Entwurfsabänderungen)

2. Preis: Oscar Wichtendahl aus Hannover

3. Preis: Hans Koberstein aus Berlin, Sohn von Karl August Koberstein

Als Honorar für den Wettbewerbssieger Wrage setze das Ministerium am 12. Juli 1900 33.000 Mark für die Ausmalung des St. Johanner Rathaussaales fest. Der preußische Historienmaler Wilhelm August Wrage, Bruder des Landschaftsmalers und Grafikers Hinrich Wrage, hatte den 1. Preis noch in seinem Abschlussjahr errungen. Von 1898 bis 1900 hatte er an der Kgl. Hochschule für die Bildenden Künste in Berlin studiert und dort die silberne Medaille erhalten. Die Ausmalung des Ratsaales in St. Johann gilt als sein Hauptwerk.

Als Wrage mit der Ausmalung des Rathaussaales begann, stellte sich heraus, dass seine Entwurfszeichnungen nicht mit den Wandmaßen des Saales übereinstimmten. Hauberrisser hatte dem Maler falsche Maße übermittelt. Somit musste Wrage die Entwürfe nochmals abändern. Daraufhin kürzte die Stadtverwaltung St. Johann Hauberrissers kurz zuvor eingegangene Honorarforderung von 2000 Mark auf 1000 Mark.

Ende Oktober 1903 hatte Wrage die Gemälde in St. Johann fertiggestellt und am 5. November 1903 bewertete der für die Abnahme des Arbeit durch das preußische Kultusministerium beauftragte Berliner Historienmaler Waldemar Friedrich Wrages Werk mit dem Prädikat „Gut“. Nach einer Prüfung der Unterlagen bestätigte das Kultusministerium am 7. Dezember 1903 das Gutachten Friedrichs.

Die Intentionen des königlich-preußischen Kultusministerium hinsichtlich der staatlichen Förderung von Kunst am St. Johanner Rathausbau wird überaus deutlich in einer am 18. Dezember 1901 gehaltenen Rede Kaiser Wilhelms II.:

„Die Kunst soll mithelfen, erzieherisch auf das Volk einzuwirken, sie soll auch den unteren Ständen nach harter Mühe und Arbeit die Möglichkeit geben, sich an den Idealen wieder aufzurichten. Uns, dem deutschen Volke, sind die großen Ideale zu dauernden Gütern geworden, während sie anderen Völkern mehr oder weniger verloren gegangen sind. Es bleibt nur das deutsche Volk übrig, das an erster Stelle berufen ist, diese großen Ideen zu hüten, zu pflegen, fortzusetzen, und zu diesen Idealen gehört, daß wir den arbeitenden, sich abmühenden Klassen die Möglichkeit geben, sich an dem Schönen zu erheben und sich aus ihren sonstigen Gedankenkreisen heraus- und emporzuarbeiten.

Wenn nun die Kunst, wie es jetzt vielfach geschieht, weiter nichts tut, als das Elend noch scheußlicher hinzustellen, wie es schon ist, dann versündigt sie sich damit am deutschen Volke. Die Pflege der Ideale ist zugleich die größte Kulturarbeit, und wenn wir hierin den anderen Völkern ein Muster sein und bleiben wollen, so muß das ganze Volk daran mitarbeiten, und soll die Kultur ihre Aufgabe voll erfüllen, dann muß sie bis in die untersten Schichten des Volkes hindurchgedrungen sein. Das kann sie nur, wenn die Kunst die Hand dazu bietet, wenn sie erhebt, statt daß sie in den Rinnstein niedersteigt.“

– Johannes Penzler (Hrsg.): Die Reden Kaiser Wilhelms II., Band 3: 1901 – Ende 1905'

Die Sichtbarmachung des auftrumpfenden Machtanspruches des Bürgertums in Architektur, Bildhauerei und Malerei und die darin enthaltende Betonung einer heilen Welt der sozialen Harmonie entsprang der Sehnsucht nach einem Wunschland altdeutscher Bürgerherrlichkeit. Im Rathausbau in St. Johann und anderswo im Deutschen Reich glorifizierte sich das Stadtbürgertum selbst als patriotischer Träger der nationalen Kultur mit dem Ziel der Selbstlegitimation in Vergangenheit und Gegenwart. Diese bürgerliche Sehnsucht, die stets mit einer latenten Angst vor sozialem Umsturz verbunden war, und ihr Sichtbarwerden im historisierenden Gestalten kann vielleicht mit den Worten des Philosophen Theodor W. Adorno (1903–1969) gedeutet werden: „was subjektiv Wunschtraum war, ist objektiv Angsttraum.“

Nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurden die Gemälde Wrages notdürftig repariert.

Auf Befehl der französischen Besatzungsmacht wurden alle preußischen Adler mit weißer Farbe übermalt bzw. mit saarländischen Fahnen (Wappen des Saarlandes 1947–1956) verhängt. Im Jahr 1973 (17. April – 12. Juli) führte der Kunstmaler Nikolaus Josef Schmitt (1918–1996) aus Nennig am Geschichtsfries Restaurierungsarbeiten aus.


Gemäldeinhalte

Inhalte der Fresken an der Längswand (ca. 18 m auf 3,5 m) sind die Weihe der Johanneskapelle in St. Johann durch den Bischof Arnulf von Metz (582?–640) und die Verleihung von Stadtrechten an die Bürger des Fischerdorfes St. Johann im Jahr 1321. Da die Ersterwähnung Saarbrückens bereits im Jahre 999 erfolgt war, versuchte man in der Schwesterstadt St. Johann den Beginn der Stadtgeschichte möglichst ins frühe Mittelalter (Weihe der Johanneskapelle durch Arnulf von Metz) zu legen, um so historisch mit Saarbrücken konkurrieren zu können. Im Gemälde wurde somit auch die Stadterhebung Saarbrückens 1321, die sich auf beide Saarstädte (Saarbrücken und St. Johann) bezog, exklusiv auf St. Johann begrenzt dargestellt.


Bildinhalte des Gemäldeteiles der Kapellenweihe im 7. Jahrhundert

Der in prächtigem Ornat gekleidete Bischof Arnulf von Metz, Stammvater und Hausheiliger der Karolinger, weiht im Segensgestus die Kapelle Johannes des Täufers, deren Modell von einem knienden Mönch empor gehalten wird. Der Mönch wird von einem weihrauchfassschwenkenden Ministranten und einem Christusfahnenträger begleitet.

Obwohl Arnulf von Metz in der katholischen Kirche als Heiliger verehrt wird (Schutzpatron der Bierbrauer und Müller), wird er im damals weitgehend protestantisch bestimmten St. Johann ohne Heiligennimbus dargestellt.

Die Legende besagt, Arnulf habe im Jahr 629 seinem Bischofsamt entsagt und sich in die sogenannte Heidenkapelle am Halberg zurückgezogen, wo bereits sein angeblicher Vater, der heilige Arnual, als Einsiedler gelebt habe. Von dort aus habe er die Erbauung der Johannes dem Täufer gewidmeten Kapelle im Fischerdorf St. Johann initiiert. Vom Titelheiligen dieser Kapelle habe dann das Fischerdorf den Ortsnamen St. Johann übernommen.

Hinter dem das Modell der Kapelle tragenden Mönch befindet sich ein Kustos, der dem Bischof ein Altarkreuz entgegenhält. Hinter dem Bischof Arnulf entnimmt ein Chronist seiner Mappe eine Urkunde, um sie vom Bischof unterschreiben zu lassen. Laienbrüder und Schüler untermalen mit ihrem feierlichen Gesang die bischöfliche Weihehandlung.


Bildinhalte des Gemäldeteiles der Stadterhebung von 1321

Graf Johann I. von Saarbrücken, mit Krone, Schwert und in prächtigem Herrschaftsmantel dargestellt, übergibt in Begleitung seiner ersten Frau Mathilde von Apremont dem vor ihm knienden bärtigen Meier von St. Johann im Jahr 1321 die Stadtrechte und den Freiheitsbrief.

Neben dem die Urkunde entgegennehmenden St. Johanner Meier in Amtstracht kniet dessen Frau in grüner mittelalterlicher Robe. Trompetensignale geben währenddessen den Vollzug des feierlichen Aktes bekannt.

In der den Meier umgebenden Volksmenge sind folgende Personen erkennbar: ein Dorfältester, ein junger Kriegsmann, Scholare, Fahnenträger und eine Mutter mit Kind. Der kleine Sohn des Grafen, Johann von Commercy († vor 1344), bittet einen Jüngling mit einem bändergeschmückten Rosenstrauß am Stab (Rose als Symbol der Gemeinde St. Johann) darum, emporgehoben zu werden, um das Geschehen besser überblicken zu können.

Der Freiheitsbrief war im Namen von Graf Johann, seiner Frau Mathilde und seines Sohnes Johann verkündet worden: „Wir Johan grave von Sarbrucken und herre von Comercy und Metild gravinne und vrouve von den steden vorgenannt und Johann unser son kunden allen jenen, die dise briebe sehen sulent oder horen lesen, das unser wille ist und wesen sol ymerme vor uns und vor alle unser erben und nakumen graven von Sarbrucken, das die stat Saarbrucken und Sente Johan dat dorf und alle man und vouwen und ir erben sind gevriet, die wir bit disen briben ymerme vrien durch unsern nutz und besserunge, das wir in den zwein steden hou und nidere niet nemen wellent noch insolent, alse unser vorvaren graven von Sarbrucken gedan hant.“

Im Hintergrund des Grafen weht ein Banner mit einem Saarbrücker Löwen, Pagen tragen Wappenschild und Turnierhelm des Grafen. Den Schluss des gräflichen Zuges bilden Hofdamen und eine Musikantentruppe, die von einem sich herunterbeugenden Jüngling eine Papierrolle mit Spielweisen erhält. Über der Bürgergruppe weht ein weißes bekränztes Banner mit der roten St. Johanner Rose.


Wappenmalerei

Die beiden Szenen werden getrennt von drei Wappenschilden in Rosenornamenten:

Oben: Das Wappen der seit 1871 kaiserlichen Herrscherdynastie der Hohenzollern – das Stammwappen der Hohenzollern zeigt einen von Silber und Schwarz gevierteilten Schild („Zollernvierung“) –, da St. Johann seit 1815 durch Beschlüsse des Wiener Kongresses zu Preußen bzw. zur preußischen Provinz Großherzogtum Niederrhein, die später in der Rheinprovinz aufging, gehörte.

Unten links: Ein geteilter Wappenschild (Wappenschild der Schöffen von Saarbrücken und St. Johann von 1462) oben mit einem goldgekrönten, goldbewehrten und rotgezungtem silbernen Löwen in Blau, bestreut von silbernen Kreuzen (Wappen der Grafen von Saarbrücken-Commercy) und unten einer roten Rose in silbernem Feld (Wappenrose von St. Johann).

Der Freiheitsbrief des Grafen Johann I. von Saarbrücken aus dem Jahre 1321 beinhaltete auch das Gebot, dass

„alle die, di in diser vriheide sind oder kumen, solent dun versigelen mitter stede ingesigel, was sie erbeschafte keufen ar verkeufen oder antweselen.“

– Hanns Klein: Der Freiheitsbrief für Saarbrücken und St. Johann.

Allerdings wurde in diesem Freiheitsbrief nicht bestimmt, welches Aussehen dieses verliehene Siegel denn habe. Es darf vermutet werden, dass das verliehene Siegel Ähnlichkeit oder Übereinstimmung hatte mit demjenigen Siegel, das Graf Johann III. von Nassau-Saarbrücken, der Sohn Elisabeths von Lothringen, am 6. März des Jahres 1462 den Schöffen der Stadt St. Johann verlieh („Sigillum Scabinorum opidi Sarabrucken et Sancti Johanis“).

Dieses Wappen war bis zum Ausbruch der Französischen Revolution an der Saar im Jahr 1793 in Gebrauch. Am 22. Dezember 1817 wurde das Schöffenwappen aufgrund der königlichen Kabinettsorder des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wieder eingeführt und war bis zur Trennung der Städte Saarbrücken und St. Johann durch allerhöchste Kabinettsorder König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen vom 3./15. Mai 1859 in Gebrauch.

Unten rechts: Eine rote Rose mit goldenem Samenkapseln und grünen Kelchblättern (Rose von St. Johann) in weißem bzw. silbernem Feld. Nach der Trennung der Städte Saarbrücken und St. Johann durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in der Städteordnung der Rheinprovinz vom 3./15. Mai 1859 führte die Stadt St. Johann bis zum 19. Juni 1876 dieses Wappen.

Das Wandgemälde wird durch das Festsaalportal in zwei Hälften geteilt. Etwa jeweils in der Mitte der beiden Gemäldehälften befinden sich die schrägen Abzüge zweier fial- und maßwerkgeschmückter neogotischer Prunkkamine mit Wappenschild (schwarzer preußischer Adler mit Brustschild darauf oben Löwe, unten rote Rose).

Anlässlich der Einweihung des Winterbergdenkmals am 9. August 1874 zur Erinnerung an die Schlacht bei Spichern vom 6. August 1870 hatte der Trierer Regierungspräsident von Wolff den versammelten Gästen mitgeteilt, dass König Wilhelm I. von Preußen, seit 1871 Deutscher Kaiser, durch allerhöchste Kabinettsorder vom 29. Juli 1874 genehmigt hatte,

„dass die Städte Saarbrücken und St. Johann zur Erinnerung ihrer patriotischen und opferwilligen Haltung während des letzten Krieges fortan in ihrem Wappen die preußischen Farben führen dürfen.“

Für St. Johann wurden daraufhin vom preußischen Heroldsamt zwei Alternativvorschläge erarbeitet:

das Stadtwappen von St. Johann („Schöffenwappen“ von 1462) mit schwarz-silbern gestücktem Bord oder

den preußischen Adler mit dem St. Johanner „Schöffenwappen“ von 1462 als Brustschild.


Am 19. Juni 1876 setzte sich die Stadtverordnetenversammlung von Saarbrücken über das Alternativangebot hinweg und entschied sich in einem Gesuch an Wilhelm I. gleich für beide Wappenalternativen. Das Gesuch wurde von Kaiser Wilhelm I. in seiner Personalunionsfunktion als preußischer König durch Kabinettsorder vom 20. November 1876 positiv beschieden. Dabei wurde das Wappen mit einer städtischen Mauerkrone mit drei Türmen versehen und die den Löwen umgebenden Fußspitzkleeblattkreuze gegen vier kleine Tatzenkreuze, die jeweils dem preußischen Eisernen Kreuz ähneln, ersetzt.

Diese beiden Wappen wurden von der Stadt St. Johann bis zur Bildung der Großstadt Saarbrücken im Jahr 1909 geführt.


Gemälde an Westwand

An der Westwand stellte Wrage über dem Saalbalkon den gekrönten Reichsadler mit dem Brustschild des preußischen Adlers dar. Seine weitgespannten Flügel tragen die Wappen der Saarstädte St. Johann und Saarbrücken, des neuerworbenen Reichslandes Elsass-Lothringen (Oberelsass, Unterelsass, Lothringen), der Grafschaft bzw. des Fürstentums Nassau-Saarbrücken und des Rheinlandes dar.

Unter den Schwingen des Reichsadlers malte Wilhelm August Wrage die Silhouette der Stadt St. Johann. Auf der Balkonbrüstung halten Engel einen Adlerschild mit löwen- und rosengeschmücktem Brustschild (Wappen von St. Johann).

Unterhalb des Saalbalkons brachte Wrage zwei geharnischte Ritter an, die die Wappenschilde von St. Johann und Saarbrücken mit einer Schriftbanderole (Inschrift: „Feldzug 1870/71“) umgeben: Während der eine wachsam nach möglichen Feinden schaut („Wacht an der Saar“), blickt der andere auf einen erlegten Drachen (Symbol des Sieges 1870/71 über Frankreich) zu seinen Füßen. Dies sollte nach Aussage des Künstlers als Auszeichnung für die prodeutsche Haltung der Saarstädte im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 verstanden werden.

Jeweils links und rechts der Balkonkragsteine befinden sich die nicht bauzeitlichen Wappen der heutigen Großstadt Saarbrücken, allerdings ohne den dazugehörigen schwarzen königlich-preußischen Adler mit den preußischen Königsinsignien auf dem Kopf (Krone) und in den Klauen (Szepter und Reichsapfel): „Innerhalb eines von Schwarz und Silber gestückten Schildbordes unter gespaltenem silbernem Schildhaupt – darin rechts eine rote Rose mit goldenem Samen und grünen Kelchblättern, links schräggekreuzt ein schwarzer Schlägel und ein schwarzes Eisen, unter den Stielenden eine gestürzte schwarze Zange – in Blau ein goldbekrönter, goldbewehrter und rotbezungter silberner Löwe, bewinkelt von vier silbernen Tatzenkreuzen (Farben: Blau-Weiß).“

Die Großstadt Saarbrücken, die 1909 durch Vereinigung der Städte Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach mit Zustimmung Kaiser Wilhelms II. und der beiden Häuser des preußischen Landtages vom 29. März 1909 entstanden war, erhielt dieses im Entwurf durch Kaiser Wilhelm II. persönlich abgeänderte Wappen am 21. Juni 1911, wobei das Wappen als Brustschild des insigniengeschmückten preußischen Adlers abgebildet war. Es wurde auch als „Kaiserwappen“ bezeichnet.

Die Wappensymbole wurden aus den Wappen der drei früher selbständigen Städte übernommen: Die Rose entstammt dem Wappen von St. Johann, Schlägel, Eisen und Zange entstammen dem Wappen von Malstatt-Burbach (per allerhöchste Kabinettsorder Kaiser Wilhelms I. vom 10. Juli 1874 mit Wirkung vom 3. Juni 1875 zur Stadt erhoben, Wappenverleihung durch Kaiser Wilhelm II. am 4. Oktober 1897 nach städtischem Gesuch vom 16. März 1892) und der Löwe entstammt dem alten Saarbrücker Wappen. Der Wappenschild der nun vereinigten Saarstädte ist umgeben von einem schwarz-weißen Band, den Farben Preußens.

Dieses Wappen wurde durch den saarländischen Innenminister Alfred Wilhelm am 3. November 1976 mit Wirkung vom 20. November 1976, dem 100. Jahrestag der Verleihung des preußischen heraldischen Adlers bzw. der preußischen Farben schwarz-weiß durch Kabinettsorder Kaiser Wilhelms I. an die damaligen Städte St. Johann und Saarbrücken, bestätigt.


Glasmalereien

Die Glasmalereien des Festsaales schuf der Frankfurter Künstler und Architekt Alexander Linnemann, der unter anderem auch für die Glasgemälde im Leipziger Reichsgerichtsgebäude (1895) und die Innengestaltung des Frankfurter Kaiserdoms St. Bartholomäus verantwortlich zeichnete. Die Glasgemälde waren ein Geschenk des Straßburger Kaufmanns Carl Lamarche an die Stadt St. Johann. Lamarche stiftete „zum Andenken an seine Eltern“, die in St. Johann ein Handelshaus betrieben hatten, am 10. Februar 1902 von Paris aus für das rundbogige Maßwerkfenster 3000 Mark, für die Ständefenster je 1000 Mark und 1.142 Mark für Fenster in den Oberlichtern und den Fluren.

Die Fassadenfenster zeigen in reichem Ornamentwerk einen adeligen Ritter (Wehrstand), einen Bauern (Nährstand) und einen Kleriker (Lehrstand).

Über dem Ritter erscheint im Maßwerk der heilige Georg mit dem Drachen. Zu dessen Ehrenbezeugung werden von zwei Händen Palmzweige emporgehalten. Über dem Kleriker sind im Maßwerk ein mittelalterlicher Magister am Pult und zwei Schüler dargestellt, die ihm ihre Arbeiten zur Korrektur entgegenhalten. Über dem Bauern sieht man im Maßwerk einen Bauern beim Pflügen. Ein seine Jungen fütternder Vogel ist darunter dargestellt.

Die prominente Darstellung des Bauern mit weiblichen Assistenzfiguren (links: Frau mit Bienenkorb darüber eine Sonne; Inschrift: „Fleiss“ / rechts: Frau, in deren Schürze von oben Goldtaler regnen, darüber ein Mond; Inschrift „Lohn“; unter dem Bauern ein roter Wappenschild mit Bienenkorb und fliegenden Bienen) im mittleren Fenster könnte als Zeichen des Selbstbehauptungswillens des Bürgerstandes als Träger des St. Johanner Rathausneubaues gegenüber Adel und Kirche gedeutet werden.

Die Glasmalereien überlebten die Bombenangriffe des Zweiten Weltkrieges, weil sie ausgebaut wurden und in Rockenhausen in der Pfalz verwahrt worden waren. Erst 1950 wurden sie wieder in den Maßwerkfenstern des Festsaales eingebaut.

Zwischen den Maßwerkfenstern hängen die Banner der Saarbrücker Partnerstädte (Cottbus in der Niederlausitz, Tblissi in Georgien, Nantes in der Bretagne) jeweils umgeben von den blau-weißen Saarbrücker Bannern.

Als Symbol des Bürgertums entwarf Linnemann für das große rundbogige Maßwerkfenster zur Kaltenbachstraße eine gekrönte, auf einem Thron sitzende allegorische Frauenfigur des St. Johanner Bürgerfleißes (Industria / St. Johann), die von 15 Zunftwappen umgeben ist, im Uhrzeigersinn: Schützen, Schmiede, Schneider, Glaser, Ärzte, Feuerwehr, Baumeister, Maler, Eisenindustrie, Zimmerleute, Schuhmacher, Schreiner, Bäcker, Schlachter, Steinbildhauer.

Über dem Thron der allegorischen Frauenfigur erscheint die Darstellung des Stadtpatrons von St. Johann, der heilige Johannes der Täufer mit Kreuzstab und dem Agnus Dei (Lamm Gottes). Die Spruchbanderole zu den Füßen der Frauenfigur ist dem Gedicht Das Lied von der Glocke von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1799 entnommen und lautet: „Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis.“

Oberhalb der allegorischen Frauenfigur befindet sich im obersten Fünfpass eine Darstellung des Erzengels Michael mit Schwert und dem Adlerwappenschild St. Johanns. In den beiden seitlichen Fünfpässen sind futtersammelnde Eichhörnchen in Blattornamenten als Allegorie des Fleißes und der Nachhaltigkeit dargestellt. Das Fenster ist jeweils links und rechts mit aufrecht schreitenden Löwen, Bänderornamenten, Wappen (Bergbau, Industrie, Handel, Schifffahrt) und Blattranken umgeben.

Das große rundbogige Maßwerkfenster zur Kaltenbachstraße hatte Hauberrisser nach dem Vorbild der rundbogigen Fenster des Ratssaales im Alten Münchner Rathaus (1470–1480 von Jörg von Halsbach erbaut) gestaltet, die heute nach Kriegszerstörung allerdings kein Maßwerk mehr aufweisen.


Saaldecke

Die neogotische Holzdecke des Festsaales mit reichen Schnitzereien und Drechselarbeiten, die sich mit sechs profilierten Bogenelementen quer über den Raum wölbt, fertigte nach Hauberrissers Entwurf die Münchner Firma Till (Kosten 30.000 Mark). Die zwölf Schildhalterfiguren aus Lindenholz sowie hölzerne Konsolen entwarf der Münchner Bildhauer Simon Korn (Kosten: 5.412 Mark).

Über die Vergabe der Schreinerarbeiten nach München kam es zu einem Eklat unter der St. Johanner Handwerkerschaft. So hatte die St. Johanner Firma Daniel Müller ein mit dem der Firma Till preisgleiches Angebot abgegeben. Außerdem verwahrte sie sich gegen angebliche Behauptungen im Stadtrat, keine einheimische Firma könne eine Qualität liefern, die der der Münchner Betriebe entspräche. Daraufhin gab der Stadtrat zur Beschwichtigung der erhitzten Gemüter bekannt, dass man die Aufträge nach München vergeben habe, damit Hauberrisser sie dort besser überwachen könne.


Raumausstattung

Die aus Holz gearbeiteten Türen weisen geschnitzte Sinnsprüche auf (über der Trauzimmertür: „Echt und recht in Rath und That.“ / über der Haupteingangstür: „Fest steh’n immer – still steh’n nimmer.“) Von der Decke herab hängen zwei große neogotische, altgoldfarben getönte Bronzelüster, die mit Blüten und Blättern aus getriebenem Messing verziert sind. Hergestellt wurden die Lüster im Gusswerk in Mainz (Kosten: 19.597,61 Mark).


Ratskeller

Bei den Einweihungsfeierlichkeiten befand sich der Ratskeller noch im Rohbau. Um ihn verpachten zu können, wurden bereits im Dezember 1899 in der Presse Ausschreibungsannoncen geschaltet. Da sich kein potentieller Pächter bei der Stadtverwaltung meldete, annoncierte man im Januar 1900 ein zweites Mal. Auch zum Zeitpunkt der Einweihung, dem Johannistag 1900, war es noch immer nicht zu einer Verpachtung gekommen. In dieser Situation begann man den Innenausbau des Ratskellers erst im Jahr 1907. Eine erste provisorische gastronomische Nutzung hatte allerdings schon am 27. Januar 1905, dem Geburtstag Wilhelms II. stattgefunden.

Zunächst war zur malerischen Ausgestaltung des Ratskellers der aus Hagenau im Elsass stammende Maler Theodor Feilenbach ins Gespräch gebracht worden. Doch die Stadtverordnetenversammlung vertagte im Mai 1900 die Ausgestaltung auf unbestimmte Zeit.

Dann empfahl Hauberisser für die Ausmalung des Ratskellers den Münchner Kunstmaler Heinrich Schlitt, der auch später in Hauberrissers Münchner Rathaus den Ratskeller ausmalte. Thema der geplanten Ausmalung war „Der Kampf des Bieres gegen den Wein“. Heinrich Schlitt war bereits ein im Saargebiet bekannter Künstler. Er hat unter anderem Anfang des 20. Jahrhunderts Keramiken für Villeroy & Boch entworfen. Noch heute sind die von ihm für das Mettlacher Keramikunternehmen entworfenen Bierseidel gesuchte Sammlerobjekte auf dem Kunstmarkt. Schlitt hatte auch in Zusammenarbeit mit Kollegen ab dem Jahr 1890 im Ratskeller des ebenfalls von Georg von Hauberrisser entworfenen Neuen Rathaus in Wiesbaden den „Bierkeller“ ausgemalt. Die humoristischen Fresken wurden – obwohl seit den 1930er Jahren unter Denkmalschutz stehend – im Jahr 1987 aus „Kostengründen“ zerstört.

Nach Streitigkeiten zwischen der Stadtverwaltung St. Johann und Schlitt um die Höhe der Bezahlung der Ausmalung forderte Schlitt seine St. Johanner Skizzen zurück und malte nach den St. Johanner Skizzen ab dem Jahr 1905 den Münchener Ratskeller aus (Thema: „Wenn Wein und Biere sich bekriegen – Wer wird siegen, wer wird unterliegen?“).

Die Stadt St. Johann schrieb nun am 20. Februar 1908 einen begrenzten Wettbewerb zur dekorativen Ausgestaltung des Ratskellers aus. Angefragt wurden die renommierten Künstler Paul Haustein, Hugo Eberhardt, Richard Riemerschmid und der St. Johanner Diplom-Ingenieur Jäckel. Bedingung der Stadt war, dass sich alle Künstler an der Kunstepoche der Spätgotik zu orientieren hätten. Haustein, Eberhardt und Riemerschmid lehnten eine Beteiligung ab, da sie sich dem Stil der Spätgotik nicht unterwerfen wollten und sie erachteten auch die Entlohnung als zu gering an. Jäckels Entwurf wurde nicht berücksichtigt.[129]

Somit wandte sich die Stadtverwaltung im Jahr 1908 an den Erbauer des Rathauses, Georg von Hauberrisser, um ein Gestaltungskonzept zu erarbeiten. Hauberrisser erklärte sich letztendlich gegen ein Entgelt von 4.851 Mark bereit, den Auftrag (Gestaltung der Vertäfelungen, Möbel, Beleuchtungskörper und Heizkörperverkleidungen) zu übernehmen. Man beschränkte sich jedoch auf reine Ornamentmalerei ohne figürliche Ausschmückungen. Auch hier gab es zwischen Hauberrisser und der Stadtverwaltung immense Meinungsverschiedenheiten um die Bezahlung.

Die Glasmalereigestaltung besorgten ab dem Jahr 1908 Alexander Linnemann aus Frankfurt am Main (Fenster in der Großen Halle und in der Ratsstube), der bereits die Fenster des Ratssaales gestaltet hatte, und Anton Freese aus St. Johann (Fenster mit Ornamenten und Spruchbändern in der Bierhalle). Die 13 Ratskellerfenster mit humoristischen Darstellungen aus der Lokalgeschichte schuf insbesondere der Sohn von Alexander Linnemann, Rudolf Linnemann. Unterlagen hierzu befinden sich im Linnemann-Archiv. Heute sind nur noch die historischen Linnemannschen Fenster von der Erstverglasung erhalten.

Im Rathaushof wurde ein unterirdischer Bierkeller angelegt. Die Kücheneinrichtung lieferte die Saarbrücker Herdfirma C. Koch im März 1909. Nach Beendigung der Arbeiten konnte der Ratskeller im April 1909 an den Gastronomen Franz Gräfe verpachtet werden. Die Eröffnung erfolgte in der Osternacht des 10. April 1909. Gräfe hatte zur Eröffnung eine ganze Wagenladung Schankbier aus den Mathäser Bräubierhallen in München, dem damals größten Bierausschank der Welt, kommen lassen.

Für die Ausgestaltung der Räume hatte Hauberisser 235 Zeichnungen und das Stadtbauamt für die Funktionsräume 144 Zeichnungen erstellt. Insgesamt beliefen sich die Kosten auf 112.879,99 Mark.

Durch den Erweiterungsbau des Rathauses durch Stadtbaumeister Ammer wurde der Ratskeller in den 1920er Jahren erweitert.

Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde der Ratskeller als Kantine für die französische Besatzungsmacht genutzt. Beim Hochwasser der Saar zur Jahreswende 1947/1948 wurde der Ratskeller bis zu den Gewölben überflutet und die Einrichtungen Hauberrissers nahezu vollständig zerstört. Eine Hochwassermarke an der Rathausecke zur Kaltenbachstraße weist noch heute auf die Naturkatastrophe hin.

Die Einrichtung der Arkade in der Betzenstraße erforderte die Zuschüttung des bisherigen Ratskellereinganges. Der Saarbrücker Stadtbaudirektor Peter Paul Seeberger gestaltete daraufhin die Räume des Ratskellers ab dem Jahr 1961 vollständig neu. Aus der ehemaligen Ratsstube wurde der heutige Haupteingang, aus dem ehemaligen Haupteingang in der Betzenstraße wurde ein Nebeneingang in der neuen Rathausarkade, die ehemalige Weinstube in der Kaltenbachstraße wurde zur Küche umfunktioniert. Der neugestaltete Ratskeller wurde am 27. April 1963 eröffnet und bot bis zu 400 Gästen Platz. Die Umbaukosten beliefen sich auf 1.270.000 DM. Ein Teil des Ratskellers wurde zur Stadtkantine. Die Vorhalle wurde mit einem Sgraffito von Max Mertz geschmückt, das den Gott Bacchus darstellt.

Den Raum „Saar“ (70–125 Plätze) schmückte Mertz mit einem Schmiedegitter, das Lukullus darstellte. Die erhaltenen Linnemannschen Fenster zeigen:

Ein betrunkener Ehemann, der einen vogelzeigenden Affen geschultert hat, wird von seiner wütenden Gattin mit einem Besenstil erwartet.

„Verkehr einst“: Ein Gastwirt verabschiedet eine vor seiner Schenke abfahrende Postkutsche

„Verkehr jetzt“: Ein gründerzeitliches Ehepaar, ein Junge im Matrosenanzug, ein Luftballonverkäufer und ein Polizist bestaunen ein über dem Weichbild von St. Johann und Saarbrücken kreisendes Luftschiff

„Polizei einst“: Ein gemütvoller Büttel der alten St. Johanner Stadtwache, bewaffnet mit einer Pike, sorgt für Ruhe und Ordnung auf einem Platz auf dem Passanten dahinschlendern.

„Polizei jetzt“: Die kaiserliche Polizei versieht ihren Dienst. Linnemann karikiert hier in humorvoller Weise das Kaiserreich als Polizeistaat. Hinter jeder einzelnen Laterne sind mehrere grimmig dreinblickende Gendarmen postiert, obwohl nur ein kleiner Hund über die Straße trottet.

„Die Gegner der Städtvereinigung“: Unter einer umrankten Laube sitzen, einander abgewand, drei sauertöpfisch blickende Gegner der Städtevereinigung bei einem Glas Wein vor der Kulisse der Kirchen von St. Johann, Saarbrücken und Malstatt-Burbach. Ihre altertümelnde Kleidung der Zeit um 1850 soll ihre verstockte Rückwärtsgewandheit verdeutlichen.

„Die Befürworter der Städtevereinigung“: Drei Herren mit Melonenhut in der damals modernen Kleidung der Zeit um 1900 stehen vor einem Wegweiser mit den Städtenamen von St. Johann, Saarbrücken und Malstatt-Burbach. Ein grünender junger Baum vor der Darstellung des St. Johanner Rathauses steht symbolisch für die Hoffnung auf Prosperität der zukünftig vereinigten Großstadt Saarbrücken. Vom Turm des Rathauses wehen die Stadtfarben „weiß-blau“ und die Reichsflagge „Schwarz-Weiß-Rot“

Darüber hinaus wurden folgende Räume gestaltet:

Raum „Pfalz“ (24–60 Plätze): Traubenmotive in den Buntglasfenstern des Blieskasteler Künstlers Hans Dahlem

Raum „Elsass-Lothringen“ (140–120 Plätze): Buntglasfenster „Der Fuchs mit den Trauben“ von György Lehoczky und Motive aus dem Elsass und aus Maursmünster von Hans Dahlem

Turmzimmer (8–12 Plätze)

Raum „Mosel“ (24–60 Plätze): Buntglasfenster mit der Porta Nigra, dem Trierer Dom und dem römischen Neumagener Weinschiff von Hans Dahlem

Ratsstube (12–124 Plätze): Buntglasfenster mit Saarbrücker Motiven von Hans Dahlem

Luxemburger Stube (4–8 Plätze)

Hauberrisser-Stube (8–14 Plätze)


Dem Wunsch Hauberrissers entsprechend wurde in keinem Raum eine Uhr angebracht. Hauberrisser hatte am 25. April 1909 der Stadtverwaltung auf die Frage, an welcher Stelle des St. Johanner Ratskellers eine Uhr angebracht werden solle, entgegnet: „Es ist nicht zweckmäßig, eine Uhr im Ratskeller anzubringen. Die Gäste sollen nicht auf die Zeit aufmerksam gemacht werden.“

Der Ratskeller ist heute ein Speiselokal mit Cocktail-Bar. Auch finden dort Veranstaltungen statt. Das Kleine Theater im Gewölbekeller bietet eine Spielstätte für Figurentheater, Kammerspiel und kleine Konzerte.


Rathausbrunnen - Telemachbrunnen

Vor dem Westflügel des Rathauses stellte man einen Rathausbrunnen auf, der von dem früheren städtischen Beigeordneten Emil Haldy gestiftet wurde. Der Brunnenstock, aus dem das Wasser durch sechs Ausläufe in ein rundes und dann durch die Mundöffnungen von sechs Masken in ein sechseckiges Brunnenbecken floss, war mit Frauengestalten dekoriert.

An der Spitze des Rathausbrunnens befand sich eine Marmorstatue des sich mit einem Schwert gürtenden Telemachos, dem Sohn des Odysseus und der Penelope. Die Statue, die in der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Nacktheit für erhebliche Aufregung sorgte, war das Werk des Bildhauers Ludwig Cauer, der an prominenten Werken der damaligen Zeit mitgearbeitet hatte (z. B. Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal, Berliner Siegesallee, Bismarck-Nationaldenkmal vor dem Reichstagsgebäude).

Im Jahr 1936 wurde der Telemachbrunnen auf dem Vorplatz des St. Johanner Rathauses offiziell wegen „begrenzter Platzverhältnisse“ entfernt. Die im Bauschutt des Ratskellers nach dem Krieg wiederentdeckte Marmorstatue des Telemach wurde dann zunächst im Saarbrücker Schlossgarten wieder aufgestellt. Heute steht sie in einer Nische in der Vorstadtstraße.


Phönixbrunnen

Seit 1959–60 befindet sich vor dem Rathaus ein Brunnen mit einer Brunnenplastik aus Metall. Die Brunnenschale stammt von Hans Ulrich, die Bronzeplastik von Max Mertz. Der Brunnen von Max Mertz wurde 1959 anlässlich des 50-jährigen Großstadtjubiläums von der Stadtsparkasse Saarbrücken gestiftet. Innerhalb des runden Wasserbeckens erhebt sich die Bronzeplastik gleich einem „aufsteigenden Phönix“, so der Künstler seinerzeit.


Brunnenbecken

Ein weiteres rechteckiges Brunnenbecken wurde 1965 (Inschrift des Beckens) vor dem Rathaus gebaut. Es zeigt auf der dem Rathaus zugewandten Seite das Wappen des Saarlandes und das der heutigen Stadt Saarbrücken mit stilisierter Mauerkrone.


Kunstinstallationen - Respecta-Skulptur

Im Jahr 1994 gestaltete die Züricher Künstlerin Barbara Caveng (* 1963) neben dem rechteckigen Rathausbrunnen eine vier Meter hohe Skulptur mit dem Titel „Respecta“. Die Skulptur war von der Künstlerin als eine große, beleibte Frauengestalt mit riesigem Gesäß, erhobenem Mittelfinger, einer Waschmaschine mit blutroten Textilien im Bauch und einem Madonnenkopf mit Lichterkrone gestaltet worden. In der Öffentlichkeit wurde über die Respecta-Figur so erbittert gestritten, dass die Leserbrief-Seiten der Saarbrücker Zeitung voll waren. Es gab hitzige Podiums-Diskussionen, und sogar die überregionale Presse berichtete. Die Skulptur wurde wieder entfernt.


Historische Ereignisse - Besuch des Hauses Baden

Am 20. Juli 1902, zum 50. Jahresjubiläum des Tages, an dem der damalige badische Prinz-Regent und spätere badische Großherzog Friedrich I. durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zum Chef des Rheinischen Ulanen-Regimentes Nr. 7 ernannt worden war (20. Juli 1852), wurde im Rathaus St. Johann eine große Feierlichkeit veranstaltet.

Dem Regiment blieb Großherzog Friedrich I., der am 18. Januar 1871 vor den versammelten Fürsten im Spiegelsaal von Versailles den preußischen König Wilhelm I. als deutschen Kaiser proklamiert hatte, zeitlebens sehr verbunden. Es wurde später offiziell ihm zu Ehren in Ulanen-Regiment „Großherzog Friedrich von Baden“ (Rheinisches) Nr. 7 umbenannt. Das 1734 gegründete Regiment war ein preußisches Kavallerie-Regiment mit Garnisonen in Bonn, Saarlouis und St.Johann/Saarbrücken. Das Bezirkskommando ließ sich am Landwehrplatz in St. Johann nieder. Die vorrangig militärische und erst in zweiter Linie geographische Entscheidung für den Standort des Bahnhofs St. Johann auf dem rechten Saarufer hatte den Rang von St. Johann bereits wesentlich erhöht. Der künftige Standort des Bezirkskommandos wurde für die Zukunft der beiden Städte als so zentral eingeschätzt, dass die Bürgermeister der rivalisierenden Städte Saarbrücken und St. Johann, Neff und Feldmann, am 22. Oktober 1894 persönlich zu den Waffen gegriffen und sich duelliert hatten.

In Folge einer Erkrankung war Großherzog Friedrich bei den Feierlichkeiten im Rathaus St. Johann am 20. Juli 1902 durch den Erbgroßherzog Friedrich II. vertreten worden. Am 29. September holte dann Großherzog Friedrich I. persönlich im Rathaus St. Johann unter großem Gepränge seinen Besuch nach und ehrte sein Regiment.


Besuch Kaiser Wilhelms II.

Kurz nach der Fertigstellung des Rathausfestsaales besuchten am 14. Mai 1904 Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria, die zur Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf der Alten Brücke von Metz aus angereist waren, das St. Johanner Rathaus.

Der Besuch des deutschen Kaiserpaares war von den beiden Städten Saarbrücken und St. Johann unter immensem Aufwand vorbereitet worden. Allein während des Kaiserzuges vom Bahnhof zum Rathaus, der von Mitgliedern des 7. Dragoner- und Ulanenregimentes begleitet wurde, standen 10.000 Bergknappen Spalier. Im Rathausfestsaal ließ sich das Kaiserpaar die Wandmalereien Wilhelm Wrages erklären, nahm einen Ehrenpokal mit Saarwein entgegen und trug sich in das Goldene Buch der Stadt St. Johann ein, bevor das Denkmal Kaiser Wilhelms I. unter Gesang von 600 Sängern und patriotischen Reden feierlich enthüllt wurde.


Ende des Ersten Weltkrieges

Am 9. November 1918 bildete sich in Saarbrücken infolge des verlorenen ersten Weltkrieges ein Arbeiter- und Soldatenrat, der im Rathaus St. Johann die Macht übernahm. Am 22. November 1918 marschierten französische Truppen unter General Léon Grégoire in Saarbrücken ein. Am 24. November verfügte Grégoire nach Verhandlungen mit Oberbürgermeister Emil Mangold, Landrat Carl von Halfern, Beamten und vier Vertretern des Arbeiterrates die Auflösung des Arbeiter- und Soldatenrates und beendete damit dessen Oberhoheit im Rathaus.


Anschluss an das Deutsche Reich

Am 1. März 1935 wurde im Festsaal des Rathauses anlässlich des Anschlusses des Saargebietes an das Deutsche Reich NS-Gauleiter Josef Bürckel durch Reichsinnenminister Wilhelm Frick in Anwesenheit von Propagandaminister Joseph Goebbels, weiterer Kabinettsmitglieder, zahlreicher NS-Parteifunktionären und der Bischöfe von Trier (Franz Rudolf Bornewasser) und Speyer (Ludwig Sebastian) in sein neues Amt als Reichskommissar für das Saargebiet eingeführt. Nachdem Adolf Hitler, dem bereits am 1. Mai 1934 durch Oberbürgermeister Neikes die Ehrenbürgerschaft der Stadt Saarbrücken verliehen worden war (Aufstellung einer Hitlerbüste auf dem Rathausbalkon), vor dem Rathaus einen Vorbeimarsch von NS-Parteiformationen abgenommen hatte, trug er sich in das „Goldene Buch der Stadt Saarbrücken“ ein. Danach empfing er im Rathausfestsaal „alte Saarkämpfer“ und verkündete der Bevölkerung vom Rathausbalkon offiziell den Anschluss des Saarlandes an das Deutsche Reich unter nicht enden wollenden Heil-Rufen der anwesenden Massen. Der Rathausplatz wurde im Folgenden in „Platz der Deutschen Front“ (Deutsche Front) umbenannt. Zuvor hatte er zuerst „Johanniskirchplatz“, dann „Kaiser-Wilhelm-Platz“ geheißen. Nach 1945 erhielt der Platz den Namen „Rathausplatz“.


Ende des Zweiten Weltkrieges und US-Besatzung

Am 21. März 1945 eroberten US-Truppen von zwei Seiten die sogenannte „Festung Saarbrücken“. In Saarbrücken wurden nur noch etwa 7.000 Einwohner gezählt (von ca. 130.000 vor dem Krieg). Der NS-Oberbürgermeister von Saarbrücken und Forbach Fritz Schwitzgebel hatte das Rathaus auf der Flucht vor den US-Truppen bereits verlassen, wurde aber am 13. Juli 1945 verhaftet, interniert, am 22. Oktober 1948 im Spruchkammerverfahren in die Gruppe I („Hauptschuldige“) eingestuft und zu vier Jahren Haft verurteilt. Am 14. April 1949 wurde er mit der Auflage, das Saarprotektorat zu verlassen, vorzeitig aus dem Internierungslager Theley entlassen.

US-Oberst Louis G. Kelly übernahm als Stadtkommandant das durch Kriegseinwirkung stark beschädigte Rathaus St. Johann und ließ über dem Turmportal das US-Sternenbanner aufziehen. Bereits am 22. März veranstaltete Kelly im durch die Evakuierung nahezu entvölkerten Saarbrücken eine Bürgerversammlung, bei der etwa 50 Saarbrücker die neuen städtischen Beigeordneten Heinrich Detjen und Richard Neu wählten. Am 24. März 1945 ernannte die amerikanische Militärverwaltung Heinrich Wahlster zum Oberbürgermeister im Rathaus St. Johann. Am selben Tag wurde im St. Johanner Rathaus ein Polizeiamt gebildet.

Am 30. März 1945 trat im Rathaus die von den US-Besatzungstruppen eingesetzte Stadtverwaltung zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Am 15. August 1945 verzichtete Wahlster auf das Amt des Saarbrücker Stadtoberhauptes. Daraufhin setzten die US-Besatzungstruppen am 15. August 1945 bis zum September 1946 (d.h. bis zur ersten Kommunalwahl) Emil Heim kommissarisch zum Oberbürgermeisters von Saarbrücken ein. Nach der ersten Nachkriegskommunalwahl wurde Franz Singer von 1946 bis 1949 ehrenamtlicher Bürgermeister im Rathaus St. Johann.


Französische Besatzung

Da die drei Besatzungsmächte Sowjetunion, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 auch Frankreich eine eigene Besatzungszone in Deutschland zugestanden hatten, lösten gemäß der Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 französische Truppen im linksrheinischen Reichsgebiet die amerikanischen Truppen ab und übernahmen dort die militärische Kontrolle. Infolgedessen lösten am 29. Juli 1945 die Franzosen als neue Besatzungsmacht die Amerikaner im Saarland ab. Die französische Besatzungsmacht nahm im Rathaus St. Johann ihren Amtssitz. Französischer Militärgouverneur für den Bereich des Saargebiets wurde zunächst General Morlière.

Am 30. August 1945 löste Colonel Gilbert Grandval General Morlière im Rathaus St. Johann ab und wurde zum neuen Militärgouverneur des Saarlandes ernannt. Damit stand er als Délégué Supérieur an der Spitze der französischen Militärregierung an der Saar (französische Bezeichnungen: Gouvernement Militaire de la Sarre und Délégué Supérieur de la Sarre).

Am 4. Oktober 1945 empfing der französische Gouverneur Grandval das provisorische französische Staatsoberhaupt General Charles de Gaulle, Kriegsminister André Diethelm, General Jean de Lattre de Tassigny und General Marie-Pierre Kœnig anlässlich eines „Staatsbesuches“ im Rathaus St. Johann. In einer Rede versicherte Charles de Gaulle den Saarländern, beim Wiederaufbau zu helfen.

Am 15. September 1946 wurden im Rathaus St. Johann erste demokratische Kommunalwahlen veranstaltet. Bei einer landesweiten Wahlbeteiligung von 93,8 % erhielt die CVP 52,4 % der Stimmen, die SPS 25,5 %, die KPS 9,1 %, Freie Listen 13 %.


Gründung des Saarstaates

Im Jahr 1947 wurde im Rathausfestsaal die Verfassung des Saarlandes von der Verfassungsgebenden Versammlung in Saarbrücken verabschiedet.



Text: Wikipedia

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