Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn

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Die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn (NME) war eine zunächst private Eisenbahnlinie, die ab 1846 Berlin und Breslau verband. Sie wurde am 21. August 1852 vom Staat Preußen erworben und ging 1920 zusammen mit den anderen ehemaligen preußischen Staatsbahnen im Bestand der Deutschen Reichseisenbahnen auf.

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Geschichte

Die Anfänge

Um 1840 begannen alle größeren Staaten des Deutschen Bundes mit dem Bau von Fernbahnen. 1837 bis 1839 entstand als erste deutsche Fernbahn die Leipzig-Dresdner Eisenbahn in Sachsen, 1837 begann Österreich mit dem Bau seiner Nordbahn und 1838 bis 1840 wurde als erste länderübergreifende Strecke (Preußen–Anhalt–Sachsen) die Bahnstrecke Magdeburg–Leipzig gebaut. Eins der nächsten preußischen Bahnprojekte war die 1840 bis 42 gebaute und am 23. Oktober 1842 eröffnete 81 Kilometer lange Berlin-Frankfurter Eisenbahn.[3] Sie führte vom Frankfurter Bahnhof (späterer Schlesischer Bahnhof, heute Ostbahnhof) in Berlin über Fürstenwalde (Spree) nach Frankfurt (Oder).

Am 27. November 1843 wurde gemäß Adresskalender 1844 Seite 412 unter Beteiligung des preußischen Staates die Niederschlesisch=Märkische Eisenbahn-Gesellschaft (NME) gegründet, um eine Verbindung von Berlin über Frankfurt hinaus nach Breslau, der zweitgrößten Stadt des Königreiches, herzustellen. Dort war schon mit dem Bau der weiter nach Oberschlesien führenden Oberschlesischen Eisenbahn begonnen worden. Der Endteil Liegnitz–Breslau der NME-Strecke Frankfurt–Breslau wurde zum 19. Oktober 1844 fertiggestellt. Der Verlauf ihres übrigen größeren Teils war zu dieser Zeit noch nicht endgültig festgelegt.[4] Ein Jahr später, am 1. Oktober 1845, wurde der Abschnitt Bunzlau–Liegnitz eröffnet.

Am 1. Januar 1845 wurde gemäß Adresskalender 1846 Seite 390 die Berlin–Frankfurter Eisenbahn-Gesellschaft mit Zustimmung ihrer Aktionäre mit der NME-Gesellschaft vereint. Als gemeinsamer Name wurde Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn (NME) behalten.

Gemäß Adresskalender 1846 Seite 603 war für die Berlin-Frankfurter-Eisenbahn-Gesellschaft am 15. Mai 1841 der Zeitpunkt des Entstehens und am 30. Juli 1845 der Zeitpunkt ihres Erlöschens.

Der restliche Streckenteil Frankfurt–Guben–Sorau–Kohlfurt–Bunzlau wurde ab 1. September 1846 befahrbar. Damit war die Strecke Berlin–Breslau (Länge 357 Kilometer) vollendet. Mit der Oberschlesischen Eisenbahn war zu diesem Zeitpunkt die Weiterreise bis Ratibor möglich.

Am 1. September 1847 gingen gleichzeitig die NME-Zweigstrecke von Kohlfurt nach Görlitz und der östlichste Abschnitt der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn zwischen Reichenbach/O.L. und Görlitz in Betrieb. Damit bestand eine durchgehende Schienenverbindung von Breslau über Dresden, Leipzig, Magdeburg, Oschersleben (Bode), Wolfenbüttel und Braunschweig nach Hannover. Anderthalb Monate später, am 15. Oktober, reichte die durchgehende Verbindung bis Deutz am Rheinufer gegenüber Köln, das über die Rheinische Eisenbahn schon Anschluss an das westeuropäische Eisenbahnnetz hatte. Mit der Inbetriebnahme der Verbindungsbahn zwischen den Bahnhöfen in Breslau am 3. Februar 1848 entstand über die am 18. Oktober 1847 fertiggestellte Oberschlesische Eisenbahn und die am 13. Oktober 1847 fertiggestellte Krakau-Oberschlesische Eisenbahn eine durchgehende Schienenverbindung von Deutz bis Krakau. Weniger als ein Jahr später, am 1. September 1848, war mit dem Lückenschluss der oberschlesischen Wilhelmsbahn zum damals österreichischen Oderberg (tschech. Bohumín), seit dem 1. April 1847 Endpunkt der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, auch die Schienenverbindung zwischen Berlin und Wien perfekt. Am 1. April 1848 hatte die Warschau-Wiener Eisenbahn ihren südlichen Endbahnhof neben dem Bahnhof Szczakowa der Krakau-Oberschlesischen Bahn eröffnet.

Übernahme durch den preußischen Staat

Mit der anfänglichen Übernahme von Aktien im Wert von 1,5 Millionen Taler durch den preußischen Staat war die Bedingung verknüpft, dass der Staat unter bestimmten Umständen den Betrieb und die Verwaltung übernehmen konnte. Weil die Bahn in ihrem Ertrag in den Jahren 1848/49 hinter den Erwartungen zurückblieb, wurde mit Bezug auf diese Klausel und auf besonderes Betreiben des preußischen Handelsministers August von der Heydt am 1. Januar 1850 die Verwaltung auf Rechnung der Gesellschaft übernommen. Obwohl sich die Ergebnisse schnell besserten, wurde die Bahn 18 Monate danach dem Staat von den Direktoren zum Kauf angeboten. Als Grund für diese überraschende Entwicklung wird die ebenfalls von v. d. Heydt betriebene geplante Einführung des verbilligten „Einpfennigtarifs“ für Kohlenzüge angesehen, aufgrund dessen das Direktorium erhebliche Umsatzeinbußen befürchtet hätte.[5]

Von der Heydt befürwortete den Ankauf, erfuhr jedoch erheblichen Widerstand von Seiten des Finanzministers Carl von Bodelschwingh, der auf die erheblichen Staatsschulden verwies. Letztlich gab König Friedrich Wilhelm IV. seinem Handelsminister Rückendeckung mit der Begründung der besonderen wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung dieser Bahn. Trotz weiterer Proteste wurde der Kauf mit knappen Mehrheiten genehmigt und zum 1. Januar 1852 vollzogen. Die NME wurde damit ein Teil der Preußischen Staatseisenbahnen und von der neu geschaffenen Königlichen Direction der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn in Berlin verwaltet.

Im Herbst 1853 wurde der erste (nachts verkehrende) Schnellzug zwischen Berlin und Breslau eingerichtet. Nach der Fertigstellung der Galizischen Carl Ludwig-Bahn im Sommer 1868 diente die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn auch als kürzeste Verbindung zwischen Berlin und Bukarest. 1889 wurde der „Orientzug“, ein direkter Schnellzug zwischen Berlin und Budapest eingerichtet.

Am 15. Mai 1875 wurde eine 93 Kilometer lange zweigleisige Abkürzungsstrecke von Gassen über Sagan nach Liegnitz eröffnet.

Mit der beschleunigten Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm auch der Verkehr vor allem in Berlin und Umgebung zu. Nachdem bis in die 1890er Jahre mehrere zusätzliche Stationen entlang der Strecke gebaut wurden, wurde schrittweise ein weiteres Gleispaar für die Vorortzüge bis nach Erkner verlegt. In diesem Zuge wurde um 1902 die Strecke im Berliner Stadtgebiet auf einen Damm verlegt, um auf Straßenniveau liegende Bahnübergänge zu vermeiden.

Die NME als Instrument preußischer Eisenbahnpolitik

Nach der Übernahme durch den Staat 1852 wurde die NME jenseits des eigenen Streckenbetriebes zum Instrument der preußischen Eisenbahnpolitik. Der Staat nutzte die nun in seiner Hand befindlichen technischen und betrieblichen Kompetenzen der NME vor allem zum Bau oder zur Vollendung weiterer Bahnen und zu deren Betrieb. Mit dem betrieblichen Potential konnte er auch auf das Verhalten anderer Gesellschaften Einfluss nehmen:

So konnte der Staat Preußen ab 1857 über die Bahnstrecke von Berlin bis Frankfurt mit der Anschlussstrecke bis Küstrin Material zum Bau der zunächst noch unvollendeten Preußischen Ostbahn heranschaffen.

Da die englische Importkohle erheblich billiger war als die schlesische Kohle, war es dem Staat ein besonders Anliegen, die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Kohle durch einen Einpfennigtarif der Transporte zu fördern. Handelsminister v. d. Heydt drohte 1852 der sich dagegen sträubenden Oberschlesischen Eisenbahn, die NME zu beauftragen, auf den Strecken der Oberschlesischen Bahn Kohlentransporte zum Einpfennigtarif durchzuführen. Dieses Vorgehen ermöglichte der § 27 des Preußischen Eisenbahngesetzes (prEG). Die oberschlesische Eisenbahn gab mit dem Ergebnis nach, dass sich ihre Kohlentransporte nahezu vervierfachten und auch die Einnahmen stiegen.[6]

Als am 15. Oktober 1851 die erste Berliner Verbindungsbahn fertiggestellt war, erhielt die NME die Betriebsführung des Güterverkehrs.

Nachdem beim Bau der Berliner Nordbahn die dazu gegründete Berliner Nord-Eisenbahn-Gesellschaft mangels finanzieller Reserven am 15. Dezember 1875 aufgelöst wurde, erwarb der preußische Staat die unvollendete Bahn und übertrug die weiteren Baumaßnahmen der NME. Dabei wurde deren Königliche Direktion der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn am 21. Februar 1880 zur Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Berlin (KED) mit entsprechend erweitertem Aufgabenbereich umgewandelt.

Am 17. Juli 1871 wurde die mit staatlichen Mitteln erbaute Neue Verbindungsbahn, die spätere Berliner Ringbahn, für den Güterverkehr in Betrieb genommen. Mit dem Bau und der Betriebsführung war die NME beauftragt, die dazu auch bald einen Personenpendelverkehr zur Neuen Verbindungsbahn aufnahm. Der Haltepunkt hatte die Bezeichnung Niederschlesisch-Märkischer Anschluß.

1895 errichtete die Gesellschaft den Bahnhof Berlin-Karlshorst für die Besucher der zuvor errichteten Trabrennbahn Karlshorst. Eigens dafür wurde ein sechsgleisiger Kopfbahnhof neben dem Vorortbahnsteig errichtet.

Nach 1920 / Übernahme in die Reichsbahn und deren Nachfolger

Reichsbahn-Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg

Nach der Übernahme der preußischen und damit auch der „Niederschlesisch-Märkischen“ Bahnstrecken in die neue Deutsche Reichsbahn ergaben sich offenbar mehrfache Umorganisationen des Bahnbetriebes. So wird im Kursbuch 1944/45 der Deutschen Reichsbahn die Verbindung Berlin–Breslau mit der Kursbuchnummer 145 geführt, der Streckenabschnitt Kohlfurt–Bunzlau–Liegnitz wurde zu dieser Zeit der Verbindung Dresden–Breslau (Kursbuchstrecke 160) zugeordnet, der Abschnitt Gassen–Kohlfurt wurde zur Kursbuchstrecke 157.

Die Vorortstrecke nach Erkner wurde 1928 für den elektrischen Betrieb der S-Bahn mit einer seitlichen Stromschiene versehen, wogegen der Fernverkehr weiterhin mit Dampf betrieben wurde.

1936 verkehrten die ersten Schnelltriebwagen zwischen Berlin und Beuthen. Diese legten die 508 Kilometer lange Strecke mit einer Reisegeschwindigkeit von 117 km/h in einer Zeit von 4 Stunden und 21 Minuten zurück. Seit 1938 fuhren die visafreien Korridorzüge Berlin–Wien über die ehemalige Niederschlesisch-Märkische Bahn. Bereits im Oktober 1939 wurden zusätzliche Schnellzüge zwischen Berlin und Krakau, der Hauptstadt des Generalgouvernements eingerichtet. Bis zur sowjetischen Weichsel-Oder-Operation im Januar 1945 war die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn eine Hauptverkehrsader der deutschen Wirtschaft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

In Frankfurt (Oder) zweigt die Bahnstrecke Frankfurt (Oder)–Posen ab, die Teil einer West-Ost-Verbindung über Warschau nach Moskau ist. Zur Versorgung sowjetischer Truppen wurde daher beim Vorrücken der Roten Armee ein Gleis der Strecke auf 1524 mm Breitspur umgebaut, so dass schon am 25. April 1945 der erste sowjetische Militärzug bis an die Berliner Stadtgrenze fahren konnte. Am 28. Juni 1945 erreichte der erste Personenzug aus Moskau den Schlesischen Bahnhof, wo die Gleise 1 bis 3 umgespurt waren. Für Stalins Anreise zur Potsdamer Konferenz wurde außerdem ein Gleis nach Potsdam in russische Breitspur geändert. Die Breitspurgleise wurden bis zum 20. September 1945 zwecks Erhöhung der Transportleistung wieder auf Normalspur rückgenagelt.[8][9]

Anders als die meisten Strecken wurden die Ferngleise auf dem Abschnitt Berlin–Frankfurt nicht auf die Hälfte reduziert; die Strecke diente zum Abtransport der Reparationsgüter in die UdSSR. Dafür wurden jedoch die Gleise der S-Bahn komplett demontiert, so dass ein elektrischer Betrieb innerhalb Berlins erst wieder drei Jahre nach der Demontage erfolgen konnte. Die Strecke zwischen Berlin und Frankfurt blieb eine Hauptachse des internationalen Verkehrs. 1990 wurde sie bis zum Grenzbahnhof Oderbrücke mit 15 kV, 16,7 Hz Wechselspannung elektrifiziert.

Der über die Oder-Neiße-Linie verlaufende Abschnitt Guben–Żagań (Sagan) war von der Grenzziehung betroffen. Er wurde auf ein Gleis zurückgebaut. Personenverkehr über die Grenze gab es nicht mehr. Auch der Güterverkehr wurde nur in Ausnahmefällen über diese Strecke geführt. Zuletzt der Fall im Jahr 1994 aufgrund von Bauarbeiten auf der Strecke von Guben in Richtung Czerwieńsk (Rothenburg), über die ansonsten der Verkehr verlief.

Auf polnischer Seite wurde nach dem Krieg ein Bahnhof Gubinek in der Nähe des polnischen Teils der geteilten Stadt Guben errichtet. Der Personenverkehr dorthin wurde 1986 eingestellt; 1994 folgte auch der weiter landeinwärts gelegene Abschnitt von Żagań nach Lubsko (Sommerfeld).


Text: Wikipedia

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