Leineinsel Klein-Venedig

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Der bekannteste Blick auf die ehemalige Leineinsel (etwa 1900) am Zusammenfluss des historischen Flusslaufes der Leine (links) und ihres Brückmühlenarms (rechts)

Die ehemalige Leineinsel Klein-Venedig in Hannover war eine ab dem frühen 13. Jahrhundert bis nach dem Zweiten Weltkrieg zum Teil dicht bebaute Flussinsel, die sich in der Leine zwischen dem Hohen Ufer der Altstadt und der Calenberger Neustadt befand. Die Insel verschwand nach dem Krieg durch Zuschüttung eines Flussarmes und der darüber angelegten Straße Leibnizufer im Zuge der Umgestaltung Hannovers zu einer autogerechten Stadt.


Lage

Die später „Klein Venedig“ genannte Leineinsel begann an der Aufteilung der Leine in Höhe des heutigen Neubaus der Oberfinanzdirektion an der Waterloostraße. Während der Hauptarm der Leine als Teil der Stadtbefestigung Hannovers direkt an die Altstadt heran- und an dieser entlanggeführt wurde, verlief der kleinere Brückmühlenarm östlich des Staatsarchivs und vereinigte sich in Höhe der Rossmühle wieder mit dem Hauptarm.

Eine weitere Leineinsel sowie eine gleichnamige Straße befinden sich mehrere Kilometer flussaufwärts auf dem Gelände der ehemaligen Wollwäscherei und -kämmerei in Hannover-Döhren.


Geschichte

Eine frühe Bebauung der Insel erfolgte auf ihrem südlichen Teil, dem früheren Ottenwerder, dann Mühlenplatz und später Friederikenplatz. 1226 wurde in Höhe der heutigen Karmarschstraße die städtische Klickmühle mit dem Wasserturm errichtet, der als „Bornkunst“ die Brunnen Hannovers mit Flusswasser versorgte und erst Ende des 19. Jahrhunderts durch die Flusswasserkunst ersetzt wurde. Am weiter westlich gelegenen Brückmühlenarm wurde 1329 in Höhe des späteren Staatsarchivs die Brückmühle erbaut, unter der sich der „Mühlenkolk“ dann zur beliebten Flussbadeanstalt, der Schraderschen Badeanstalt, entwickelte. Die alte Brückmühle wurde erst 1860/61, noch zur Zeit des Königreichs Hannover, durch einen Neubau des Architekten Ludwig Droste ersetzt. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand im südlichen Teil der Insel das Friederikenschlösschen.

Die eigentliche Bebauung der „Insel“ begann im 15. Jahrhundert auf dem nördlichen Teil. Hierzu befestigte die Stadt die Ufer des Werders mit Pfählen, den sogenannten „Specken“, weshalb dieser Bereich der Leineinsel jahrhundertelang auch „Uppe den Specken“ genannt wurde. Dieser nördliche Teil der Insel war über vier Brücken zugänglich: Der Weg über die Leintorbrücke, die Ernst-August-Straße und die Calenberger Brücke entwickelte sich zum wichtigsten Verkehrsweg zwischen der Altstadt und der Calenberger Neustadt, über den auch die Straßenbahnlinie verlief. Flussabwärts führte die Sommerbrücke von der Pferdestraße auf die Inselstraße und weiter über die Inselbrücke zur Calenberger Straße in Höhe der (nicht mehr vorhandenen) Langen Straße. Die beiden quer über die Leineinsel verlaufenden Straßen waren durch die schmale Rademacherstraße miteinander verbunden, die erst 1961 aufgehoben wurde. An sie erinnert die 1962 angelegte Rademachertreppe am gegenüberliegenden Leineufer.

Unmittelbar entlang der beiden Leinearme stiegen die verwinkelten und vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert fast ausschließlich als Fachwerkhäuser errichteten Gebäude auf. An der Wasserseite waren häufig kleine Balkone angebracht – ein malerischer Anblick, der der Leineinsel mit ihren Brücken den Beinamen „Klein Venedig“ einbrachte. Allerdings war die Insel im 20. Jahrhundert ein „sozial sehr herabgesunkener Stadtbereich“, der im Zweiten Weltkrieg durch die Luftangriffe auf Hannover größtenteils zerstört wurde. Die meisten Reste wurden schließlich im Zuge des Wiederaufbaus der Innenstadt beseitigt, nachdem für die Verkehrsplanungen insbesondere der Brückmühlenarm zugeschüttet worden war, um darüber das Leibnizufer zu führen.

Als heute noch sichtbare Überreste der Leineinsel blieben der denkmalgeschützte Verlauf des Hauptarmes der Leine sowie die Leinebefestigungsmauer mit den Fundamenten der ehemaligen Bebauung erhalten.


Umgestaltung der historischen Ufermauern

Zwischen Ende 2013 und 2015 lässt die Stadt Hannover für rund 2,3 Millionen Euro die historischen Ufermauern der Leine nördlich der Leintorbrücke sanieren und neu gestalten. Dies betrifft einen 70 Meter langen Abschnitt auf der früheren Leineinsel gegenüber dem Hohen Ufer. Die Ufermauern hatten sich in den letzten Jahren zum Fluss hin geneigt und waren dadurch instabil geworden, so dass Einsturzgefahr bestand. Daher werden die alten Mauern abgetragen und durch eine Stützwand aus Beton ersetzt, die mit dem alten Sandsteinmauerwerk weitgehend originalgetreu verkleidet wird. Der Uferbereich soll durch eine Uferpromenade mit Balkon und eine Treppe zum Wasser mit einer Aufenthaltsfläche erlebbar werden.


Stadtarchäologische Untersuchungen

Die baufällig gewordenen Ufermauern der Leine waren einst die Kelleraußenwände von Häusern auf der früheren Leineinsel, die vermutlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden sind. Nach ihrer Zerstörung durch die Luftangriffe auf Hannover im Zweiten Weltkrieg wurden in der Nachkriegszeit die letzten Reste eingeebnet und die Keller mit Bauschutt verfüllt. Darüber entstand ein Parkplatz. Vor der Umgestaltung der Ufermauern finden wegen der stadtgeschichtlichen Bedeutung der Stelle seit Anfang 2014 baubegleitend stadtarchäologische Untersuchungen in einem knapp 1.000 m² großen Bereich statt. Sie werden von einem Grabungsunternehmen im Zusammenwirken mit den zuständigen Denkmalbehörden, der Stadt Hannover und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, vorgenommen. Bei den Ausgrabungen, die bis in eine Tiefe von 6,5 Metern gehen, werden die verschütteten Keller freigelegt und denkmalfachlich dokumentiert. Im März 2014 hatten die Archäologen nach mehrwöchigen Ausgrabungen bereits etwa 200 Befunde gesichert. Dazu zählen ein Brunnen und ein Gang zur Leine. Zu den Fundstücken zählt der Kopf einer Plastik aus anscheinend italienischem Marmor, die vermutlich im 15. Jahrhundert entstanden ist. Ein weiterer Fund sind Fragmente eines rund zwei Meter hohen niederländischen Fayence-Kachelofens im Barockstil. Seine Entstehungszeit wird auf 1750 bis 1770 datiert. Da etwa 90 Prozent der Teile gefunden wurden, lässt sich der Ofen rekonstruieren.

Auf dem gegenüberliegenden Leineufer fanden Ende 2013 im Rahmen eines Bauvorhabens ebenfalls stadtarchäologische Untersuchungen am Hohen Ufer statt. Die beiden Untersuchungen sind die ersten größeren Ausgrabungen in Hannover seit den stadtarchäologischen Grabungen am Bohlendamm 1983.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Bernd Schwabe in Hannover

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